Als Kolumbus 1492 auf Guanahani landete, schickte er zwei Kundschafter aus. Bald berichteten sie: „Unterwegs begegneten wir vielen Männern und Frauen, die ein kleines Feuerchen mit sich führten, das in den Blättern eines Krautes glühte, dessen Rauch sie mit Entzücken und Wonne einatmeten. Dieses Kraut wickeln sie in ein trockenes Blatt und bilden eine Rolle. Sie zünden sie an dem einen Ende an, um den Rauch mit ihrem Atem einzusaugen.“ Kolumbus war genau im Herzen jenes Gebietes gelandet, in dem der beste Tabak gedieh – nahe Kuba.
Schnell finden die Neuankömmlinge Gefallen am Brauch der Eingeborenen. Die Blätterrolle, die sie gesehen haben, hat die Form der kleinen Musketen, mit denen die spanischen Kinder zu Pfingsten in die Luft schießen. Diese Muskete heißt „Tobago“ – und so nennt man fortan die Rolle und das Kraut, das sie enthält. Schon bald erobert sie die Alte Welt.
Es beginnt mit Hochzeitsvorbereitungen
Die Historie des Tabaks in Europa beginnt 1550 in Portugal. In diesem Jahr hat Heinrich II. von Frankreich einen Diplomaten nach Lissabon entsandt, um die Heirat zwischen seiner Tochter Margarethe und dem portugiesischen König Sebastian vorzubereiten.
In Lissabon lernt der Emissär den Tabak als Zierstrauch kennen. Er pflanzt die Sträucher im Garten der Botschaft und entdeckt dabei, dass aufgelegte grüne Tabakblätter Hautkrankheiten heilen können. Davon hört Frankreichs Königin Katharina von Medici und bestellt das „wunderwirkende Kraut“.
Der junge Diplomat trocknet die Blätter und pulverisiert sie, damit sie den langen Transport nach Paris überstehen, und empfiehlt seiner Königin in einem Anschreiben, das Pulver, das ein befreiendes Niesen auslöst, zu schnupfen. Auch, so fügt er hinzu, helfe das Kraut als das Mittel gegen Migräne. Weil Katharina die pulverisierten Blätter als Schnupftabak goutiert, bekommt der Tabak in Frankreich den Namen „Herbe de la reine“ – Königinnenkraut. Tabak wird nun in größeren Mengen eingeführt und bald in Massen angebaut. Der Diplomat, der so viel für die Verbreitung in Europa getan hat, heißt Jean Nicot. Und ihm zum Gedenken wird der Wirkstoff im Tabak später Nikotin genannt.
Es ist der Engländer John Rolfe, der dann damit beginnt, in Virginia – der ersten britischen Kolonie in der Neuen Welt – in größerem Stil Tabak anzubauen. Das Unternehmen hat Erfolg: Ab 1620 werden Jahr für Jahr rund 100 000 englische Pfund virginischen Tabaks nach England verschifft. Die Blätter aus Virginia sind so begehrt, dass sie zum Zahlungsmittel avancieren: 150 „junge Frauenzimmer“, die 1620 mit einem Schub Siedler nach Amerika kommen, treten gegen die Zahlung von Tabak in den Stand der heiligen Ehe.
Nirgendwo sonst wird der Tabak so schnell zum gesellschaftlichen Ereignis wie in England. Am Hof Elisabeths I. (1533–1603) hat Sir Walter Raleigh das Paffen eingeführt. Er lässt sich aus Virginia Tabak und Pfeifen liefern. Selbst die Königin soll es hervorragend verstanden haben, Ringe zu blasen. Gegen Ende des Jahrhunderts gibt es im elisabethanischen London angeblich 1000 Tabakhändler, außerdem entsteht eine neue Branche, der Tabakpfeifenverleih. Der Andrang ist so groß, dass mehrere Leute aus einer Pfeife rauchen müssen.
Der Tabak wird noch in erster Linie als Medizin, nicht so sehr als Genussmittel gepriesen. Ärzte empfehlen ihn gegen die Pest und besonders gegen Lungenkrankheiten. Und bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts glaubt man in Medizinerkreisen, dass Rauchen gegen Unfruchtbarkeit hilft.
Tabak saufen, fressen, schnupfen
In Deutschland hat der Tabak im 17. Jahrhundert Einzug gehalten. Der deutsche Dichter Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen schreibt 1666 in seinem „Simplicius Simplicissimus“, einem Roman aus dem Dreißigjährigen Krieg: „Es ist kein Bauernhaus (. . .), darinnen sich nicht eine Pfeife befindet. Teils saufen sie den Tabak, andere fressen ihn und von etlichen wird er geschnupft.“ Auch die Männer der Kirche sind dem Nikotin verfallen. Papst Benedikt XIII., ein Tabakliebhaber vor dem Herrn und seit 1724 auf dem Stuhl Petri, setzt durch, dass in der Peterskirche geraucht und geschnupft werden darf.
In Preußen wird das Rauchen zum Hofzeremoniell. Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) etabliert das Tabakskollegium, eine Art Stammtisch, an dem allabendlich in bierseliger Männerrunde bis zu 30 Pfeifen pro Kopf geraucht werden.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird der Tabak zum Genussmittel. Mittlerweile hat sich auch das Zigarrerauchen durchgesetzt – zuerst in Italien. Dort erhält 1779 der deutsche Maler Peter Wendler vom päpstlichen Kirchenstaat für fünf Jahre das Recht, „bastioni di tabacco“ herzustellen – Tabakstäbchen. Als Maler ein Hungerleider, verdient Wendler als Zigarrenfabrikant ein Vermögen.
Auch in Spanien pafft man. Und ab 1784 muss man seine Glimmstängel nicht mehr selbst drehen, denn die königliche Tabakfabrik in Sevilla stellt fertige Zigaretten her.
Kaiserin Sissi, eine Kettenraucherin
Doch es gibt ein Problem: Das Papier verbrennt meist schneller als der Tabak. Erst in den 1860er Jahren gelingt es, ein wesentlich besseres Papier zu entwickeln. Und jetzt beginnt der Siegeszug der Zigarette: Wilhelm II. und Napoleon III. rauchen sie genauso leidenschaftlich wie Elisabeth von Österreich. Kaiserin „Sissi“ ist das, was man später eine Kettenraucherin nennen sollte.
Die erste Antiraucherbewegung formierte sich in den USA während der Prohibition (1919–1932). Erstmals wissenschaftlich beschäftigte man sich mit dem Rauchen in Deutschland: 1939 stellte der Kölner Mediziner Franz Hermann Müller einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs her.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Zigaretten in Deutschland für kurze Zeit höher im Kurs standen als die Reichsmark, erlebte das Rauchen noch einmal einen regelrechten Boom, bis 1964 in den USA der „Terry-Report“ veröffentlicht wurde, in dem Ärzte eindringlich vor den gesundheitlichen Risiken des blauen Dunstes warnten. Ab dann setzte langsam ein Umdenken ein: 1988 wies die Weltgesundheitsorganisation nach, dass Rauchen süchtig macht.