Der in Birkach lebende Günter Seyfferth begeistert sich für den Himalaya – dabei ist der 72-Jährige noch nie dort gewesen. Dennoch kennt er nahezu jeden Berg und hat im Internet eine umfassende Dokumentation für das Gebirge geschaffen.

Stuttgart - Der Mount Everest ist 8850 Meter hoch, der K2 8611 und der Kangchenjunga 8586. Günter Seyfferth weiß, wie es auf den schneebedeckten Gipfeln der höchsten Berge der Welt aussieht. Mit sicherem Blick erkennt er aus allen Himmelsrichtungen ihre Grate, weiß wie die Aufstiegsrouten verlaufen, unterscheidet ohne zu zögern den Gasherbrum I vom Gasherbrum II und lokalisiert die längsten Gletscher ohne Probleme. Es scheint, als kennt Günter Seyfferth den Himalaya wie seine Westentasche. Doch der Stuttgarter hat noch nie einen Fuß in die Täler und auf die Berge des Gebirges gesetzt.

 

Eine Reise in den Himalaya ist Seyfferth zu anstrengend

Günter Seyfferth sitzt in seinem Arbeitszimmer in Birkach, rund 390 Meter über dem Meer. Doch seinen inneren Blick richtet er nach Osten zum Himalaya, etwa 7000 Kilometer Luftlinie entfernt, wo die Berge 6000, 7000 und über 8000 Meter hoch sind. Dagegen sind die Filder eine reichlich unbedeutende Erdwölbung. Der Himalaya hat ihn schon immer fasziniert, sagt Günter Seyfferth. Er ist jetzt 72 Jahre alt. „Ich bin nicht mehr fit genug, um auf hohe Berg zu steigen.“ Eine Reise in den Himalaya und eine Trecking-Tour ist ihm zu anstrengend, wegen der Dauer und der Höhe.

Der 72-Jährige will das Gebirge „optisch im Kopf haben“

„Ich bin ein Schreibtisch-Bergsteiger“, sagt Günter Seyfferth, der eine ganz eigene, und nicht minder schwere Herausforderung sucht: „Ich will dieses Gebirge optisch im Kopf haben.“ Also hat sich der Rentner hingesetzt und begonnen, an seinem Computer eine Internetseite über die Gebirgskette zu programmieren. Nach fast zehn Jahren akribischer Arbeit ist es eine der ausführlichsten und meist besuchten Himalaya-Seiten: 700 Foto-Galerien, 260 mehrseitige pdf-Dokumente mit der Geschichte und den Daten zu zahlreichen Bergen, zudem diverse Landkarten und Literaturhinweise. Eine Liste mit über 400 Bergen, die höher als 6750 Metern sind mit Koordinaten, Datum der Erstbesteigung und geografischer Lage. Außerdem Informationen zu Gletschern, Pässen und Aussichtspunkten.

Mit einem Buch begann die Leidenschaft schon in der Jugend

Mit einem Buch, das er als Junge zum Geburtstag geschenkt bekam, hat alles angefangen. Es waren die Aufzeichnungen von John Hunt, dem Leiter der britischen Expedition, die den Gipfel des Mount Everest zum ersten Mal erreichte. Das war 1953 und Günter Seyfferth war gerade 13 Jahre alt geworden: „Ich habe das Buch damals mehrfach gelesen.“ Als junger Erwachsener ist er gerne in die Berge zum Wandern gegangen. „Doch ich war kein Höhenbergsteiger und habe keine extremen Touren unternommen.“ Als Bauleiter und dann als Selbstständiger hatte er aber nur noch wenig Zeit für das Wandern. Das Interesse an den imposanten Bergen hat viele Jahre geschlummert und ist erst gegen Ende des Berufslebens wieder erwacht.

Die Berge und Täler sind nun nahezu komplett dokumentiert

Als erstes durchforstete der passionierte und aktive Passiv-Bergsteiger das Internet nach Himalaya-Fotos. Diese sortierte er und stellte sie nach Themen zusammen. Keine einfache Sache. „Es gibt einen Wust von Bildern, die nicht oder nur mangelhaft beschriftet sind.“ Also zog er Bücher, Referenz-Fotos und Landkarten zu Rat, später auch Satellitenaufnahmen aus dem Internet. Wie ein Puzzle setzte Günter Seyfferth den Himalaya visuell zusammen. „Das war ein spannendes Erlebnis. Es ergibt sich jetzt ein Gesamtbild.“ Das Gebirge, die Berge und Täler sind nun nahezu komplett dokumentiert. Es hat ihn gereizt herauszufinden, was genau auf den Fotos zu sehen ist. „Das ist eine Detektivarbeit. Außerdem wollte ich eine Wissenslücke schließen.“ Seine Angaben belegt er sorgfältig, sagt der frühere Ingenieur. Mit den Fotografen hat er immer Kontakt aufgenommen und sie um Einverständnis gefragt. Da es schwierig ist, gutes Kartenmaterial zu bekommen, begann Seyfferth, eigene Karten herzustellen, auf denen alle Städte, Dörfer, Straßen, Berge, Täler, Flüsse und Gletscher verzeichnet sind.

Selbst Reinhold Messner findet das Online-Angebot gut

Seine Internetseite ist in der Bergsteiger-Szene bekannt. Sogar Reinhold Messner kennt sie. Günter Seyfferth hatte die Möglichkeit die Bergsteiger-Legende aus Südtirol zu treffen. „Er hat positiv auf meine Arbeit reagiert“, so Seyfferth. Durch die zahlreichen Foto-Portale im Internet hat seine Sammlung noch einen neuen Aspekt gewonnen. Bergsteiger haben sämtliche Aufnahme ihrer Expeditionen online zugänglich gemacht. Wer sich auf seiner Seite beispielsweise die Historie der Besteigungen des Mount Everest durchliest, kann über einen Link den Aufstiegsweg der Bergsteiger-Teams mitverfolgen: vom Basis-Lager, zu den Zwischen-Camps, über den Hillary-Step, der letzten Steilstufe vor dem Gipfel, hinauf zum höchsten Punkt der Welt. Deshalb weiß Günter Seyfferth auch genau wie es dort oben aussieht.