Vom Wert des Schwäbischen Gemeinschaft, Trost, Humor
In der Schule wurde sie für ihren schwäbischen Dialekt getriezt. Dabei kann er im Leben von großer Bedeutung sein, meint unsere Kolumnistin.
In der Schule wurde sie für ihren schwäbischen Dialekt getriezt. Dabei kann er im Leben von großer Bedeutung sein, meint unsere Kolumnistin.
Der Dialekt ist keine der Standardsprache unterlegene Form des Deutschen“, heißt es in der Neuen Dialektstrategie für Baden-Württemberg, die die Landesregierung am Dienstag veröffentlicht hat. Dieser Satz klingt für mich wie ein Freispruch von höchster Stelle. Sehr oft habe ich in meinem Leben gespiegelt bekommen, dass der schwäbische Dialekt, mit dem ich aufgewachsen bin, gleichgesetzt wurde mit Dummheit, Mangel an Bildung und der vermeintlichen Unfähigkeit, „richtig“ zu sprechen. Das fing im Gymnasium an, und ging nicht etwa von den Lehrkräften aus, sondern von hochdeutsch sprechenden Mitschülerinnen und Mitschülern, die sich über mein Schwäbisch lustig machten.
Diese vermeintliche Überlegenheit der Hochsprache, das Belächeltwerden, wenn ich irgendwo ein -le dranhängte, begegnete mir später außerhalb Schwabens so oft, dass ich mir den Dialekt abgewöhnte. Es dauerte sehr lange, bis ich ihn als Teil meiner Identität wiederentdeckte und schätzen lernte. Dass Schwäbisch einmal einen großen Teil meines Berufs ausmachen würde, hätte ich mir niemals träumen lassen.
Dialekt ist Bekenntnis zur Heimat. Dabei gibt es einen großen Unterschied zwischen Liebe zum Dialekt und zur Heimat einerseits und Heimattümmelei und Nationalismus andererseits. „Wir müssen den Heimat-Begriff den Rechten entreißen“, schrieb Alexander Schweitzer, heute Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, schon 2018 in der „Rheinischen Post“. Ohne Heimat keine Demokratie, befand er. Heimat stiftet Identität, schafft Verwurzelung und gibt Sicherheit. Der Dialekt spielt dabei eine fundamentale Rolle. In Zeiten wie diesen, wo die Welt in Rekordgeschwindigkeit auseinanderzufallen scheint und die Nachrichten im Radio morgens Angst machen, hat Dialekt schon beinahe etwas Tröstliches, Verbindendes und auch Humorvolles.
Dialekt ist Ausdruck von Heimat, und er kann davor schützen, in Extreme abzudriften. Anders als im rechtspopulistischen Denken der AfD oder eines Donald Trump, die Heimat nur bestimmten Personengruppen zugestehen und sie mit allen Mitteln gegen potenzielle Gegner verteidigen, ist Heimat jedoch nicht etwas, das nur durch die Geburt bestimmt ist. Heimat kann man sich erarbeiten und erwerben. Wenn das nicht so wäre, dann wären 48 Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter heimatlos, weil sie einen Migrationshintergrund haben. Vielleicht sprechen sie Schwäbisch, vielleicht auch nicht. In jedem Fall bringen ihre eigenen Sprachen mit und sorgen dafür, dass Heimat kein starrer Begriff ist, sondern lebendig und durchlässig bleibt.
In meiner Schulzeit hatte ich Klassenkameradinnen und -kameraden aus Griechenland, dem damaligen Jugoslawien und Italien. Ihre Eltern waren als Gastarbeiter gekommen. Meine Freundin aus Thessaloniki brachte uns das griechische Alphabet bei, und ich kann es bis heute.