Lisa-Marie Sparmann aus Bad Boll macht ihr freiwilliges soziales Jahr in dem Musikprojekt „Akademie der Camerata Villa la Angostura“ im Süden von Argentinien. Dafür werden noch Spenden und Musikinstrumente benötigt.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Bad Boll - Mancher Ort ist halt schon arg weit weg von Baden-Württemberg: Die Stadt Villa la Angostura etwa – ganz im Süden von Argentinien in Patagonien gelegen, gut 1600 Kilometer von der Hauptstadt Buenos Aires entfernt, mehr als 20 Flugstunden von hier, weitere Stunden in Überlandbussen kommen hinzu. All jene, die etwas näher dran sind, in Argentinien oder im Nachbarland Chile etwa, wissen diese Gegend sehr zu schätzen als Naturparadies. Es muss dort sehr schön und abwechslungsreich sein.

 

Lisa-Marie Sparmann hat sich auf den weiten Weg dorthin gemacht, von Bad Boll aus. In Bad Boll ist sie aufgewachsen und hat das Gymnasium besucht. Jetzt ist sie im Rahmen ihres freiwilligen sozialen Jahres am südlichen Zipfel von Argentinien angekommen. Dort arbeitet sie an dem Projekt „Die Akademie der Camerata Villa la Angosutra“ mit, das Kindern und Jugendlichen musikalische Bildung emöglicht. „Das Angebot richtet sich an alle unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer politischen Einstellung“, so Sparmann. Die aktuelle Altersspanne der Teilnehmer ist weit gefasst zwischen fünf und 17 Jahren. Und wenn noch freie Plätze vorhanden sind, können auch junge Erwachsene dabei sein.

Vom „gran ensemble“ zum Sinfonie-Orchester

Mit vier anderen Lehrern aus Deutschland gibt sie dort derzeit Individual-Unterricht. Was sie dort lernen, erklingt dann zusammen in größeren Ensembles, etwa dem „gran ensemble“. Dort werden auch schon Anfänger aufgenommen, die ein oder zwei Lieder beherrschen, auf dem Programm steht entsprechend die leichtere Muse. Wer in der Instrumentenkunde schon weiter fortgeschritten ist, tritt im Sinfonie-Orchester auf, das immer wieder von dem 2015 gegründeten Kammerchor unterstützt wird. Zuletzt wurde dort etwa an Mozarts 12. Sinfonie gearbeitet. „Vor allem die 104. Sinfonie von Haydn war eine große Herausforderung. Aber die Nachfrage ist insgesamt sehr groß“, so Sparmann, „wir könnten auch noch mehr aufnehmen, aber es fehlen die Instrumente dazu“.

Klassische europäische Musik ist spannend

Die Anforderungen dort sind beachtlich, denn gespielt wird dort klassische Musikliteratur etwa von Mozart, Purcell oder Händel. Da kann auch mal ein Marsch aus Wagners Oper „Meistersinger“ dabei sein. Populäres gibt es auch mal, „Amazing Grace“ etwa, so Sparmann, „aber das ist eher die Ausnahme“. Sparmann: „Klassische europäische Musik ist dort quasi unbekannt, aber gerade deshalb finden die Jugendlichen das interessant und spannend. Zumindest hat sich bis jetzt noch niemand über unsere Auswahl beschwert.“ Denn privat stehen die Jugendlichen dort eher auch auf internationale Popmusik. Sparmann: „Eine Sinfonie hat dort eigentlich noch niemand gehört. Und jetzt können sie selbst daran teilnehmen: Das ist schon etwas ganz besonderes“.

Das bedeutet ebenso das Kennenlernen von bislang unbekannten Instrumenten wie eine Geige. Sparmann erinnert sich: „Vor allem Hörner waren dort was völlig Neues. Aber jetzt bieten wir erstmals Unterricht auf Horninstrumenten an.“ Was nicht so einfach ist, denn es fehlen noch die Instrumente für den Unterricht. „Der Lehrer muss eben sein eigenes Instrument an die Schüler weitergeben“, so Sparmann. Ähnlich sieht es bei den Trompeten- oder Posaunen-Interessenten aus. Doch die Schüler sind derlei Improvisationen offensichtlich gewohnt: „Es fehlt da eben noch am Bestand. Da sind wir dringend auf Hilfe von außen angewiesen“, so Sparmann.

Instrumente werden auch selbst gebaut

Und was schon vorhanden ist, wird gut gepflegt: „Es gibt hier eine Werkstatt zum Reparieren der Instrumente. Einiges können wir so selbst herstellen, etwa den Lack für die Instrumente. Im vergangenen Jahr war auch mal ein Geigenbauer aus Buenos Aires da. Der hat uns viel geholfen und viele wertvolle Tipps gegeben. Mit den Kindern und Eltern zusammen haben die eigene Instrumente gebaut. Das hat alle überrascht, dass dies funktionieren kann“, so Sparmann.

Geduld scheint offensichtlich reichlich vorhanden sein, denn viele klassischen Instrumente wie die Geige sind nicht gerade leicht zum Lernen: „Da hat jeder Schüler sein eigenes Tempo. Die einen zupfen erst mal, die anderen streichen mit dem Bogen – so kommt eins zum anderen. Die Neugier ist aber immer sehr groß und sie wächst noch, vor allem dann, wenn sich die ersten Erfolgserlebnisse einstellen“ – auch Sparmann scheint da mit viel Geduld ausgestattet zu sein: „Manche sind sehr wissbegierig und kommen mit 1000 Fragen in den Unterricht. Es ist immer sehr schön zu erleben, wie sie Vertrauen zu uns Lehrern fassen.“ Etwas Lehrerfahrung hat sie bereits in Deutschland gesammelt. Und jetzt kann sie in Patagonien noch nebenbei ihre Spanisch-Kenntnisse erheblich verbessern.

Die Anforderungen sind enorm, denn musiziert wird an den Wochentagen von morgens bis abends, von einigen Pausen natürlich abgesehen. Entsprechend ist die Messlatte: „In Deutschland bin ich etwa seit 15 Jahren im Unterricht“, so Sparmann. In Argentinien unterrichtet sie jetzt eine Klasse von 20 Geigenschülern. Die Hälfte hat davon etwa vor einem Jahr mit dem Unterricht begonnen.

Haare schneiden für die Musik

Damit möglichst viele in den Genuss dieses Projekts kommen, ist die Teilnahme prinzipiell kostenlos. Private Beiträge sind aber jederzeit willkommen, und den Ideen am Engagement sind keine Grenzen gesetzt: „Eine Familie mit einem Lebensmittelgeschäft hat ihre beiden Kinder bei uns. Dort können wir gelegentlich kostenlos essen. Eine andere Friseursfamilie schneidet uns die Haare“.

Hier schließt sich der Kreis für die junge Lehrerin aus Bad Boll: „Das zeigt, dass unser Angebot der musikalischen Bildung hier auch erwünscht ist.“ Für andere Dinge wie den Bedarf an weiteren Instrumenten ist das Projekt jedoch auf die Hilfe von aussen angewiesen. Insbesondere Geigen, Celli oder Trompeten sind derzeit Mangelware: „Aber wir brauchen von allem etwas, was zu einem guten Orchester gehört“, so Sparmann: „Leider haben nicht alle ein eigenes Instrument, außer den selbst gebauten“.

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