Björn Andersen ist Eurofighter-Pilot bei der Bundeswehr. Wie er zu seinem Beruf kam, was man dafür braucht und was ein „echter Pilot“ von Filmen wie Top Gun hält.
Einen Oberst der Bundeswehr und Eurofighter-Piloten nach seiner Meinung zu Filmen wie Top Gun zu fragen, ist etwas unangenehm. Vor allem, wenn es um solche Fragen geht, wie: Wie realistisch sind solche Filme eigentlich? Schließlich möchte man selbst auch nicht mit Klischees über den eigenen Beruf konfrontiert werden.
Doch Björn Andersen (44) nimmt es gelassen: „Wenn mich die Leute fragen, sage ich regelmäßig, da sind total tolle Luftaufnahmen drin. Es ist aber kein Lehrstück für taktische Fliegerei oder unbedingt für physikalische Korrektheit“, lacht er. Anders als im Film dargestellt, wirken am Ende eines Kurvenfluges, wenn das Flugzeug „nur“ noch nach oben fliegt, nicht 10 G, also das Zehnfache des eigenen Körpergewichtes, sondern nur das eigene Körpergewicht auf den Piloten ein.
Mit viel Adrenalin und Nervenkitzel hat der Job trotzdem zu tun, zumal man mit Hochleistungsflugzeugen an komplexen Missionen teilnimmt. Aber wie kommt man eigentlich zu einem Beruf, von dem andere träumen? Das wurde Björn Andersen zum einen in die Wiege gelegt, denn schon sein Großvater mütterlicherseits war Soldat. Zum anderen wusste der Bundeswehr-Pilot schon früh, dass er Jets fliegen und Menschen führen wollte. Da gab es für ihn nur eine Kombination, und die war, zur Luftwaffe zu gehen.
Je nach Flugmanöver ist der Eurofighter-Pilot bis zu neun G ausgesetzt
Nach dem Abitur in Stuttgart-Feuerbach im Jahr 2000 ging er direkt zur Bundeswehr. Dort hat er seine Offiziersausbildung gemacht, Wirtschafts- und Organisationswissenschaften studiert und seine Pilotenausbildung gemacht. Anschließend flog er Tornados in den USA und kam über verschiedene Stationen zu seiner heutigen Position als Eurofighter-Pilot.
Dass körperliche Fitness eine Grundvoraussetzung für seinen Beruf ist, braucht man eigentlich nicht zu erwähnen. Schließlich kann ein Eurofighter grundsätzlich bis zur doppelten Schallgeschwindigkeit fliegen. „Das ist nichts, was wir jeden Tag machen, aber wenn man das grob in km/h umrechnet, sind wir bei den Flügen zwischen 400 km/h und 1.400 km/h unterwegs“, erklärt der Vater zweier Töchter.
Je nach Flugmanöver ist der Eurofighter-Pilot bis zu neun G ausgesetzt. Das sei zwar nicht ganz so wie bei Top Gun, komme aber in etwa hin, erklärt Björn Andersen. Ein Trainingsflug, der zwischen einer Stunde und vier bis fünf Stunden dauern kann, sei schon eine hohe Belastung für den Körper. Deshalb gibt es für die Piloten spezielle Ausrüstung, Trainingsprogramme mit eigenen Sporttrainern und Physiotherapeuten.
Geübt werden gemeinsame Luftkriegsoperationen mit Wertepartnern
Derzeit befindet sich der Oberst mit seiner Mannschaft in Indien. Die Luftwaffe führt in diesem Jahr die größte und komplexeste Verlegung in ihrer Geschichte durch. Mit über 20 Flugzeugen haben sie zusammen mit ihren Partnern Frankreich und Spanien an Übungen in Alaska, Japan, Hawaii und Australien teilgenommen. Die letzte Station ist Indien. Dort werden gemeinsame Übungen mit der indischen Luftwaffe durchgeführt.
Geübt werden so genannte gemeinsame Luftkriegsoperationen mit Wertepartnern. Die Einheiten erhalten einen in ein Szenario eingebetteten Auftrag, den sie erfüllen müssen. Geübt wird für den Verteidigungsfall. An diesen Einsätzen schätzt der Oberst besonders, dass sie das gegenseitige Verständnis fördern und Vertrauen schaffen. „Diese Partnerschaften sind wirklich wichtig in einer Welt, die im Moment an vielen Ecken nicht so schön und instabil ist“, erklärt er.
Eine der anspruchsvollsten Übungen ist die Luftbetankung. Dabei muss der Eurofighter-Pilot mit einer Art Stöpsel in den Trichter des Tankflugzeugs fliegen. Das gehöre zu den Dingen, die wirklich anstrengend seien. Der Pilot müsse genau darauf achten, dass er den Tankstutzen zum richtigen Zeitpunkt in den Korb fliegt. Das Wetter und die Wolken spielen dabei eine entscheidende Rolle und können, wie bei normalen Urlaubsfliegern auch, Turbulenzen verursachen und die Übung erschweren.
Eurofighter-Jets sind auch bei Nacht und Nullsicht einsatzbereit
Wie prekär die Lage aktuell ist – vor allem mit Blick auf den Osten und die russische Invasion in der Ukraine – weiß auch die Familie des Oberst. Bisher war Björn Andersen noch nicht in Kampfeinheiten eingebunden, aber das könne jederzeit passieren. Wer diesen Beruf ergreift, muss sich auf den Verteidigungsfall vorbereiten. „Natürlich hoffen wir alle, dass der Ernstfall nicht eintritt“, sagt er. Dennoch sei es seine Aufgabe, seine Pflicht, sich auch darauf vorzubereiten. Mit den aktuellen Übungen im Pazifik wolle man auch ein Signal aussenden, dass es sich eben nicht lohne, mit Nato-Staaten in irgendwelche kriegerischen Auseinandersetzungen zu geraten. Für seine Familienangehörigen sei das immer wieder eine Herausforderung und nicht einfach. „Das ist natürlich ein Gesprächsthema mit meiner Frau, aber auch mit meinen Töchtern“, sagt Björn Andersen. Das sei nicht schön, aber man müsse sich natürlich auch mental darauf vorbereiten.
Trotz der Gefahr sind seine Töchter natürlich sehr stolz auf ihn. „Neulich hatte ich das Glück, für eine Veranstaltung in der Nähe von Berlin, wo wir wohnen, einen Überflug machen zu dürfen. Meine Familie konnte das beobachten und ich weiß, dass meine Töchter ihren Freunden und Bekannten ganz stolz erzählt haben, dass das ihr Papa war, der da gerade drüber geflogen ist“, erzählt Björn Andersen. Und besonders die Jungs und Klassenkameraden fanden das toll.
Geflogen wird übrigens bei fast jedem Wetter. Wobei das Wetter natürlich eine entscheidende Rolle für die Sicherheit spielt. „Ein bisschen Bodensicht für Start und Landung ist schon wichtig. Von einer Position aus 300 Meter geradeaus schauen zu können, wäre schon gut, damit ich weiß, wo die Start- und Landebahn ist“. Wenn die Wolken tiefer als 60 Meter sind, wird es schwierig, rechtzeitig aus den Wolken herauszukommen und die Landebahn zu sehen, um landen zu können. Große Gewitterzellen seien auch nicht schön, weil sie meist Hagel mit sich bringen - keine ideale Voraussetzung für die sensible Technik im Eurofighter.
Volles Vertrauen in das Team bei Flugübungen ohne Sicht
Rein technisch sind die Flugzeuge aber so ausgelegt, dass sie auch bei Nacht und Nullsicht einsatzbereit sind. „Wir können unseren Auftrag auch erfüllen, wenn alles voller Wolken ist. Das üben wir regelmäßig“, sagt Björn Andersen.
Umso wichtiger ist es, dass alle Instrumente zuverlässig funktionieren und das Team gut aufeinander eingespielt ist. Bei Flügen ohne Sicht verlassen sich die Piloten ganz auf das Team am Boden, das den Flug kontrolliert und die Flugzeuge per Radar auf Abstand hält. Das erfordert ein langes Training. „Deshalb dauert die Ausbildung eben eineinhalb bis zwei Jahre, bis die Piloten wirklich unfallfrei alleine losgelassen werden können“, betont Björn Andersen.
Trotz anstrengender Flugübungen und manchmal 12-Stunden-Tagen versäumt es der Oberst nicht, an seine Töchter zu denken. Von jedem seiner Einsätze bringt er ihnen ein Geschenk mit und erinnert sich: „Vor gut acht Jahren, als ich beim Airpolicing in Estland war, habe ich meiner kleinen Tochter eine Kuscheldecke mitgebracht. Die hat sie heute noch“.