1969 wurde die amerikanische Flagge auf dem Mond gehisst. Der Erfolg der USA gründete auch auf einer Raketentechnologie, die deutsche Forscher um Wernher von Braun entwickelt hatten. Sie diente ursprünglich dem Zweck, Adolf Hitler zum Sieg zu verhelfen.

Berlin - Die Mondlandung vor 50 Jahren war nicht nur ein Triumph der USA, sondern auch die größte Stunde im Leben des deutschen Raketenbauers Wernher von Braun (1912-1977). Schon mit 17 Jahren hatte dieser eine Science-Fiction-Geschichte mit dem Titel „Lunetta“ verfasst. Für die Verwirklichung dieses Jugendtraums war ihm jedes Mittel recht. „Wissenschaft an sich besitzt keine moralische Dimension“, behauptete er.

 

Von Brauns Leben ist zweigeteilt. Fotos zeigen ihn bis 1945 mit Adolf Hitler und anderen Nazi-Größen. Und dann steht er plötzlich neben US-Präsidenten wie Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy oder dem Trickfilmer Walt Disney. Ob von Braun selbst dies als starken Bruch empfunden hat, ist fraglich. Er baute sein ganzes Leben lang Raketen. Für wen, war zweitrangig.

Mit nur 25 Jahren wurde der Aristokrat aus Ostpreußen 1937 Technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Insel Usedom. Er leitete die Entwicklung der V2-Rakete, der „Wunderwaffe“, von der sich Hitler in der Endphase des Zweiten Weltkriegs noch die Wende erhoffte. Als ihm von Braun einmal einen Film von einem Raketenstart vorführte, zeigte er sich derart begeistert, dass er „geräuschvoll Explosionen imitierte“, wie sich von Braun später erinnerte.

Faustpfand für Verhandlungen

1943 wurde die Raketenproduktion zum Schutz vor Luftangriffen in ein Tunnelsystem in Thüringen, das sogenannte KZ Mittelbau-Dora, verlegt. Für die Arbeit wurden Häftlinge aus dem KZ Buchenwald eingesetzt, die von Braun teilweise selbst auswählte. Er ging buchstäblich über Leichen, denn täglich starben Menschen, die auf einem Haufen aufgestapelt wurden. „Professor von Braun ging daran vorbei, so nahe, dass er die Leichen fast berührte“, sagte ein Überlebender aus.

Als sich 1944 die Niederlage Nazi-Deutschlands abzeichnete, widersetzte sich von Braun dem Zugriff von SS-Chef Heinrich Himmler und kam dafür kurzzeitig in Gestapo-Haft. Kurz vor Kriegsende brachte er die wichtigsten Dokumente der deutschen Raketenforschung in Sicherheit. Er besaß nun ein Faustpfand für seine Verhandlungen mit den Amerikanern, die mit den Sowjets bereits in einen Wettlauf um die von den Nazis entwickelten Technologien eingetreten waren.

Schlechte amerikanische Küche

In einem im Mai/Juni 1945 verfassten Bericht stellte von Braun den Amerikanern bereits den Flug zum Mond in Aussicht. Sie bissen sofort an: Am 18. September 1945 flog der Chefkonstrukteur der gefürchteten V2-Rakete in die USA und bekam fortan eine Erste-Klasse-Behandlung. Als er noch einmal kurz für seine Hochzeit nach Deutschland zurückkehrte, wurde er von den Amerikanern streng bewacht, da sie seine Entführung in die Sowjetunion befürchteten.

In der Folgezeit wurden 115 Mitglieder seines Peenemünde-Teams in die USA nachgeholt. Noch Anfang der 60er Jahre besetzten Deutsche sämtliche Abteilungsleiterposten des Raketenforschungszentrums. Dankbarkeit zeigten sie nicht: Einer von ihnen beklagte sich in einem Interview sogar über die schlechte amerikanische Küche.

In der texanischen Wüste und später in Huntsville im US-Staat Alabama setzte von Braun seine Arbeit so nahtlos fort, dass sein Forschungszentrum inoffiziell „Peenemünde Süd“ genannt wurde. Er entwickelte jetzt die erste atomare Mittelstreckenrakete - wieder ein Rüstungsprojekt. Sein Biograf Johannes Weyer urteilt: „Wie schon in Nazi-Deutschland platzierte er seinen Traum, eine Superrakete zu bauen, geschickt in den politisch-militärischen Kontext.“ Das war nun der Kalte Krieg.

Identität lebenslang geheim gehalten

Um Fördermittel und politische Unterstützung für sein Forschungszentrum zu gewinnen, startete von Braun eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Seine Eloquenz, sein Charme und sein blendendes Aussehen ließen ihn schnell zur Berühmtheit werden. Dazu kam, dass er 1958 vier Monate nach dem Sputnik-Schock den ersten amerikanischen Satelliten in die Erdumlaufbahn schoss und damit in den Augen der Amerikaner ihre nationale Ehre wiederherstellte.

Auch an der Sputnik-Lancierung waren deutsche Forscher beteiligt: Es ging um eine Gruppe rund um von Brauns ehemaligen Kollegen Helmut Gröttrup (1916-1981). Er arbeitete zunächst in der sowjetischen Besatzungszone, wurde dann aber 1946 mit etwa 5000 anderen Ingenieuren und deren Angehörigen in die Sowjetunion deportiert. Auch sie entwickelten nun die V2-Raketen weiter.

Das Superhirn bei den Sowjets war jedoch kein Deutscher, sondern der aus der Ukraine stammende Chefentwickler Sergej Koroljow (1907-1966), dessen Identität lebenslang geheim gehalten wurde. Die Amerikaner kannten ihn nur als „Mister X“. Als das Nobelkomitee nach dem Sputnik-Coup in Moskau anfragte, wem es denn den Preis für diese Meisterleistung verleihen könne, antwortete Staatschef Nikita Chruschtschow, dies sei eine Gesamtleistung des sowjetischen Volkes gewesen.

Der Wettlauf zum Mond wurde zum Kräftemessen der Supermächte. In den USA entwickelte von Braun für die Raumfahrtbehörde Nasa die dafür nötige Saturn-Trägerrakete. Gern hätte er auch die Apollo-Kapsel für die Astronauten gebaut, doch dieser Auftrag ging an das Manned Spacecraft Center in Houston. Ziemlich bald nach der Mondlandung strich die US-Regierung das immens teure Raumfahrtprogramm radikal zusammen, weil das politische Ziel - der Propaganda-Sieg über die Sowjets - nun erreicht und das Interesse der Öffentlichkeit deutlich erlahmt war. Von Braun wechselte enttäuscht in die Privatwirtschaft. Mit 65 Jahren starb der Raketenmann 1977 an Krebs.