Als am Neckar die Römer siedelten: Herbert Medek hat zum Jahresabschluss des Stuttgarter Verschönerungsvereins einen amüsanten Vortrag über Bad Cannstatt gehalten.

Stuttgart -

 

Dass Stuttgart ohne Cannstatt niemals möglich gewesen wäre“, diesem Bonmot würde wohl so mancher alteingesessene Bad Cannstatter gerne zustimmen. Wie sollte es auch anders sein, beginnt doch die menschliche Geschichte Stuttgarts vor rund 250 000 Jahren eben nicht an den Gestaden des Nesenbachs, sondern – natürlich – am großen Fluss.

„Zu der Zeit gab’s jedenfalls auch in Cannstatt schon Leut.“ Der, der Stuttgarts größtem Stadtbezirk so kurzweilig wie kenntnisreich die führende Rolle bei der historischen Entwicklung der Landeshauptstadt zubilligt, ist nicht irgendwer, sondern Herbert Medek, mit der Bad Cannstatter Geschichte bestens vertrauter Stadtführer und Leiter der Unteren Denkmalbehörde der Stadt. Der 64-Jährige hielt am Montagabend im Großes Saal des Stuttgarter Rathauses den Jahresabschlussvortrag des Verschönerungsvereins. Thema: „Die Geschichte Bad Cannstatts“. Medek ist bekanntermaßen nicht nur ein beschlagener Stadtgeschichtler, sondern zudem noch einer der unterhaltsamsten seines Fachs. „Irgendwann haben die Cannstatter damals ein Mammut erlegt, g’metzget und da oben, wo später die Travertinsteinbrüche waren, gegrillt.“ Von diesem Festmahl gebe es Spuren, erzählt der geborene Bad Cannstatter den rund 150 Zuhörern.

Gemetzel mit mehr als tausend Toten

Von Stadtplanung, sagt der Amtsleiter, konnte damals freilich noch nicht die Rede sein. Wohl aber dann bereits vor 2500 Jahren: „Bei den Kelten wusste man schon genau, dass der Häuptling in der Mitte des Dorfs wohnt und der Bäcker am Rand.“ Nicht anders in Bad Cannstatt, wo der Keltenfürst im Gebiet Steinhaldenfeld residiert habe, so der Ortsgeschichtler. Als dann um 90 nach Christus die Römer das große Kastell errichteten, nahm die Entwicklung Cannstatts richtig Fahrt auf. „Damals begleitete den Neckar schon eine internationale Fernstraße. Das war für die Geschichte Cannstatts enorm wichtig“, sagt Medek. Dass ab etwa 300 nach Christus die Sueben in die Region kamen und als Alamannen hier siedelten, sei deshalb nicht lange gut gegangen, weiß der Historiker, weil kurz darauf auch die Franken sich hierzulande ausbreiteten. „Die aber waren stärker“, erzählt Medek seinen Zuhörern. Was schließlich im „Cannstatter Blutgericht“ endete, bei dem über 1000 alamannische Stammesführer umgebracht worden seien. Aus dieser Epoche stammen auch die neuen sensationellen Funde rund um die Altenburg. „Eigentlich“, so Medeks These, „wurde Stuttgart von hier aus gegründet.“

Dazu passt auch, dass viel später der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibnitz dem württembergischen Herzog empfohlen hat, doch bitte die Residenz „vom abgelegenen Weiler Stuttgart ins städtische Cannstatt zu verlegen“ – und die Universität Tübingen bei dieser Gelegenheit gleich mit. „Das hat man zwar nicht gemacht“, sagt Medek. „hieß aber trotzdem etwas.“ Erst König Wilhelm I. habe sich dann zum wirklich großen Förderer Cannstatts entwickelt, womit die Geschichte als Kur- und Bäderstadt beginnen konnte. „Von da an wurde Cannstatt zum Treffpunkt der internationalen Welt.“ Könige, Fürsten, aber auch zum Beispiel berühmte Ärzte seien nach Cannstatt gekommen. So Jakob Heine, der später die spinale Kinderlähmung entdeckt habe. Und auch die Stuttgarter wussten da längst, was sie an Cannstatt hatten: „Die Stuttgarter haben sich damals regelmäßig sonntagmorgens am Waisenhaus eingefunden, geputzt, wie’s bloß geht, und sind nach Cannstatt gefahren, um dort umherzupromenieren, als ob sie Kurgäste wären.“

Das Ende des kurstädtischen Flairs

Die Eisenbahn, die 1845 nach Cannstatt kam, habe zwar auch das Kurgewerbe zunächst gefördert, aber eben auch der Industrialisierung Vorschub geleistet. „Das hat dem kurstädtischen Flair letztlich den Todesstoß versetzt.“ Heute werde in Bad Cannstatt viel gebaut, sagt Medek. Die neue Eisenbahnbrücke sei im Werden, der Neckarpark entstehe. Und die Stadtplanung sei inzwischen bemüht, dem Neckar und seinen Ufern „den Charme eines Industrieflusses“ wieder zu nehmen.