Zarenenkel statt Werbefuzzis: Matthew Weiner, der Mann, der uns „Mad Men“ bescherte, verrät im Interview, auf was wir uns in seiner Amazon-Serie „The Romanoffs“ freuen dürfen, die am 12. Oktober startet.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

London - Matthew Weiner, dem wir „Mad Men“ verdanken, erzählt in der Miniserie „The Romanoffs“ in acht ganz unterschiedlichen Filmen Geschichten von Nachfahren der Zarenfamilie. Wir haben den Autor und Serien-Erfinder in London zum Interview getroffen.

 

Mr. Weiner, wie kamen Sie auf die Idee, die Romanows zu Serienstars zu machen?

Ich war schon immer von den Romanows fasziniert. Vielleicht hat das mit meiner russisch-jüdischen Abstammung zu tun. Die Romanow-Mythologie, die um die russische Zarenfamilie, die von den Bolschewiki ermordet wurde, entstanden ist, ist eine dieser True-Crime-Storys. Ich finde es spannend, von Menschen zu erzählen, die sich als Nachfahren dieser Monarchie ohne Königreich begreifen und glauben, sich als Überlebende wie Snobs verhalten zu dürfen. Menschen, die du bei Starbucks in der Schlange triffst und die dir dann sagen: „Weißt du, wer ich bin? Meine Familie war der russische Adel. So, und jetzt lass mich gefälligst vor!“

Sie erzählen in der Serie acht Geschichten, die mal in Paris, mal in Mexiko-City, mal in New York, mal in London spielen. Wie haben Sie die Drehorte ausgewählt?

Ich weiß nicht, ob ich das sagen sollte, aber einige Geschichten spielen an Orten, in die ich gerne reisen wollte. Jenji Kohan, die die Gefängnisserie „Orange is the new Black“ macht, hat sich schon über mich lustig gemacht und gesagt: „Matthew Weiner hat ein Drehbuch geschrieben, das ihn nach Paris bringt, ich dagegen habe eines geschrieben, mit dem ich im Knast lande.“

Mit der Paris-Folge beginnt die Serie.

Ich hielt diese Episode für einen guten Einstieg. Aber tatsächlich könnten Sie die Episoden in beliebiger Reihenfolge anschauen. Wir veröffentlichen sie zwar Woche für Woche in einer bestimmten Abfolge, aber die Episoden sind nicht miteinander verbunden. Sie können einfach einschalten und sehen mal eine Komödie, mal einen Film-noir-Krimi, mal eine Familientragödie, mal einen Hitchcock-Thriller – oder wie in der ersten Folge eine Art Märchen.

Das klingt verwirrend.

Stimmt, es war für mich hilfreich, dass es bereits eine Serie wie „Black Mirror“ gibt, die ein ähnliches Konzept etabliert hat. Ich arbeite seit Langem im Serienfernsehen. Da geht es immer darum, eine Geschichte in einer Episode nie ganz zu Ende zu erzählen, weil du stets dafür sorgen musst, dass die Leute auch nächste Woche wieder einschalten, weil sie wissen wollen, wie es weitergeht. Das ist okay. Ich will das nicht kritisieren. Aber ich fand es diesmal sehr aufregend, dass wir in jeder Episode eine Geschichte tatsächlich zu Ende erzählen konnten – ganz ohne Cliffhanger.

Das klingt nach einem unmöglichen Unterfangen: Acht Filme! Andere Regisseure brauchen sechzehn Jahre, um das umzusetzen.

Eigentlich war nur das Schreiben schwer. Alle fünf Wochen bei einem neuen Film Regie zu führen, das ist einfach. Alles, was du brauchst, ist ein unglaublich gutes Team.

Nach dem Erfolg von „Mad Men“ hatten Sie wahrscheinlich völlige künstlerische Freiheiten und konnten tun, was Sie wollten.

Ich glaube nicht, dass irgendwer in diesem Geschäft eine Art Freibrief hat.

Nicht einmal Sie?

Nein. Es sei denn, ich hätte gesagt, ich mache „Mad Men“ weiter. Es hat damals sieben Jahre gedauert, um „Mad Men“ zu verkaufen. Und wenn du fertig bist mit so einer Serie, bist du erst einmal wieder nicht mehr als ein arbeitsloser Autor . . .

. . . der dann aber vom Internetgiganten Amazon engagiert wurde.

Ja, es ist seltsam, dass ein Unternehmen, das so groß ist, eine so hohe Risikobereitschaft zeigt. Wobei ich finde, dass das, was ich mache, wahrscheinlich die altmodischste Art ist, Fernsehen zu machen.

Was meinen Sie mit altmodisch?

Ich sehe mich in der Tradition des amerikanischen Fernsehens. In seiner Anfangszeit, Ende des Zweiten Weltkriegs, musste sich dieses ganz auf originelle Storys verlassen, weil sich Filmstars fürs Fernsehen zu fein waren. Diese Originalität des Erzählens will ich zurückbringen.

Warum sind Sie mit „The Romanoffs“ beim Amazon-Streamingdienst gelandet?

Das Fernsehgeschäft ist ein Marktplatz. Du kannst dir nicht aussuchen, wer dein Partner wird. Ich fand allerdings sehr gut, dass Amazon für unsere Idee sehr offen war und diese nicht in irgendeine andere Idee verwandeln wollte.

Passiert so etwas denn oft?

Oh, ja! Was ich aber außerdem gut fand, war, dass Amazon damit einverstanden war, die Serie wöchentlich zu veröffentlichen. Auch da bin ich altmodisch. Inzwischen ist es ja oft so, dass man, wenn man sich über eine Serie der Streamingdienste unterhalten will, scheitert: Der eine ist erst bei der zweiten und der andere schon bei der siebten Episode angekommen. Ich finde es gut, wenn die Leute immer auf dem gleichen Stand sind, so taugt eine Serie viel besser zum Gesprächsstoff.

Info

Person Matthew Weiner (53) ist der Erfinder der Serie „Mad Man“. Zuvor war er Produzent und Autor bei „Die Sopranos“ . 2017 erschien sein Roman „Alles über Heather“.

Serie Die ersten zwei Episoden von „The Romanoffs“ sind ab Freitag, 12. Oktober, bei Amazon Prime verfügbar. Weitere Episoden folgen wöchentlich. Zunächst sind die Folgen nur im Original mit Untertiteln verfügbar. Eine deutsche Fassung ist für 2019 vorgesehen.