Stuttgart war nie nur eine Buch- und Dichtermetropole, sondern immer auch ein Auto-Mekka. Mit Gottlieb Daimler, Ferdinand Porsche und Robert Bosch legten gleich drei Pioniere in Stuttgart den Grundstein für die bis heute erfolgreichen Unternehmen.

Stuttgart - Ein bekanntes Stuttgart-Gedicht könnte auch so lauten: „Der Daimler und der Maybach, der Porsche und der Bosch, die sind bei uns die Regel. Wer’s leugnet, kriegt auf d’Gosch!“ Denn die Stadt an Neckar und Nesenbach war nie nur eine Buch- und Dichtermetropole, sondern auch ein Auto-Mekka.

 

Wie exklusiv der Ruf der Stadt in Sachen Motorfahrzeuge war, hat schon Bundespräsident Theodor Heuss in seinen Jugenderinnerungen festgehalten: „Wann ich das erste Auto gesehen habe, weiß ich nicht, denn ich bin nicht in Stuttgart aufgewachsen.“ Klar, nur wer da lebte, oder genauer: in Bad Cannstatt, der war vom Start an dabei.

Keine spannungsfreie Beziehung

Die Geschichtswerkstatt der StZ und des Stadtarchivs Foto: StZ
Die Geschichte des genialen schwäbischen Ingenieur- und Erfinderduos Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach ist nicht spannungsfrei. Sie begann, soweit sie Cannstatt betrifft, 1882 in der kleinen Versuchswerkstatt nahe dem Kurpark. Von misstrauischen Nachbarn der Falschmünzerei verdächtigt, von Patentstreitigkeiten gestört, arbeiteten die beiden Männer Tag und Nacht an einem leichten Einzylinder-Viertaktmotor, konstruierten 1885 das erste Motorrad der Welt und bauten 1886 ihre Motorkutsche. Daimlers Sohn Paul ließ sich als Versuchsfahrer auch durch Proteste erboster Bürger nicht einschüchtern: „Der Wagen lief gut und machte schon 18 Kilometer in der Stunde.“

Der Rest ist ruhmreiche, aber nicht immer harmonische Historie: die Gründung der Daimler-Motorengesellschaft mit Fabrik im Seelberg 1890, der Streit zwischen den Anteilseignern, der Sieg eines Daimler-Wagens beim ersten Automobilrennen Paris-Rouen-Paris, der Bau der ersten Mercedes-Limousine, benannt nach der Tochter des österreichischen Generalkonsuls Jellinek. Und nicht zu vergessen: der Umzug des Werks nach Untertürkheim und 1926 die Vereinigung mit der Firma des ewigen Konkurrenten Carl Benz.

Robert Bosch fuhr Rad

Der Ruf der Autostadt Stuttgart wäre ohne Robert Bosch und Ferdinand Porsche nicht komplett. Während Daimler auf dem Bock seiner Motorkutsche über das Pflaster holperte, radelte Bosch mit Schlapphut zu den Kunden seiner Elektrowerkstatt, die sich in der Rotebühlstraße befand, und montierte Telefone und Blitzableiter. Doch aus der Klitsche wurde rasch eine Elektrotechnische Fabrik, als der Tüftler seine Magnetzündung entwickelt und sich zu einem wichtigen Lieferanten Daimlers und anderer Autowerke entwickelt hatte. Schon 1908 zog die künftige Weltfirma für Zünder, Scheinwerfer und andere Autoteile hinaus nach Feuerbach.

Ergänzt werden die glorreichen Vier durch Ferdinand Porsche, den einstigen Daimler-Chefkonstrukteur. In einer Garage auf dem Killesberg entwickelte er von 1931 an die berühmten Auto-Union-Rennwagen, später die ersten Modelle des so genannten Kraft-durch-Freude-Wagens. Es war die Geburtsstunde des VW-Käfers, der allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg massenhaft über die Straßen zu krabbeln begann. Zusammen mit Sohn Ferry machte er sich dann an den berühmten Porsche 356 mit 35 PS. Eine neue Erfolgsgeschichte begann.

Die Autonarren hielten sich anfangs zurück

Soweit die Erfinder, Konstrukteure und Fabrikanten. Und die Kunden, die Autonarren? Die hielten sich anfangs zurück, auch wenn die Daimler-Motoren-Gesellschaft ihren ersten Lastwagen „ein gutes Thier“ nannte: „Er frisst nichts, wenn im Stall er steht, und sauft nur, wenn die Arbeit geht.“ Paul Eipper, der große Tierbuchautor aus Stuttgart, erzählte, was sein Vater von dem knatternden Teufelzeug hielt: „Stinke tut’s und macht Dreck, des neumodische Vehikel. Mir ist a Gaulskütschle lieber ...“ Und die Erzählerin Hedwig Lohs erlebte eine frühe Autofahrt nach Welzheim als Abenteuer. Die Leute am Straßenrand „drohten mit den Fäusten, sie warfen mit Steinen und den damals noch reichlich auf den Straßen liegenden Rossbollen nach uns.“

„Stärkster Verkehr“ in Stuttgart

Doch das „neumodische Vehikel“ fand rasch Freunde, auch und besonders in Stuttgart. 1910 wurden im Stadtdirektionsbezirk schon 404 Personenautos gezählt, 1936 waren es mehr als 23.000. Schriftsteller Fritz West konstatierte damals: „Stuttgart hat innerhalb Deutschlands im Verhältnis den stärksten Verkehr.“ Und die Autoren des Buches „Unser schönes Stuttgart“ nannten die Innenstadt „ein großes Verkehrshindernis“. Die Autolawine rolle, doch „die Straßenführung (...) ist noch die gleiche wie in früheren Jahren. Daraus ergeben sich für die Regelung des Verkehrs die größten Schwierigkeiten.“

Diese Klagen sind seither nicht mehr verstummt. Egal, ob der Nazi-Oberbürgermeister Strölin oder seine demokratisch gewählten Nachfolger Klett, Rommel, Schuster und heute Fritz Kuhn: immer suchten und suchen sie eine Harmonie zwischen dem rollenden Blech und der Lebensqualität der Bürger. Dieser Ausgleich ist bei knapp 300.000 in Stuttgart zugelassenen Personenwagen schwer – die Busse, Lastwagen und Pendlerströme nicht gerechnet.

Autostadt Stuttgart? Das Solitude-Rennen ist Geschichte, die heimischen Renn-Asse Hermann Lang, Karl Kling und Hans Herrmann sind fast vergessen. Doch noch immer dreht sich der Reklame-Stern über dem Hauptbahnhof, noch immer steigt die Arbeitslosenquote, sinkt das Gewerbesteuer-Aufkommen, wenn die Auto- und Zulieferbranche kränkelt. Doch wer hat außerhalb der Landeshauptstadt eine Mercedes-Benz- und eine Porsche Arena nebeneinander?

Sie haben noch nicht genug? Weitere Themen rund um Stuttgarts Vergangenheit finden Sie auf der Homepage der StZ und im Geschichtsportal „Von Zeit zu Zeit“ von Stuttgarter Zeitung und Stadtarchiv.

Die Geschichtswerkstatt „Von Zeit zu Zeit

Sie wollen noch mehr über die Geschichte Stuttgarts erfahren? Dann besuchen Sie die Geschichtswerkstatt „Von Zeit zu Zeit“ der Stuttgarter Zeitung. Das interaktive Portal ist in Kooperation mit dem Stadtarchiv entstanden und gibt Ihnen die Möglichkeit die Geschichte der Stadt mitzuschreiben. Wer sich als Chronist anmeldet, kann Fotos hochladen oder eigene Zeitzeugenberichte verfassen.