Die Schiller-Geschwister haben vor 220 Jahren in Leonberg das Erbe ihrer Mutter Elisabetha Dorothea aufgeteilt.

Insgesamt 157 Gulden hat eine Auktion vor 220 Jahren in Leonberg eingebracht. Veranstaltet hatte sie Louise Frankh, geborene Schiller. Sie war aus Cleversulzbach gekommen, um den Tod ihrer Mutter Elisabetha Dorothea anzuzeigen, weil deren letzter Wohnsitz das Leonberger Schloss gewesen ist.

 

Der Erlös der Auktion wurde dem mütterlichen Nachlass zugeschlagen. Die weitere Inventur und Teilung des Nachlasses übernahm dem Gesetz entsprechend im Sommer 1802 das Waisengericht Leonberg. Am 29. April 1802 war Elisabetha Dorothea Schiller im Alter von 69 Jahren in Cleversulzbach verstorben, wo sie auch beerdigt wurde.

Ein Schatz in Form von Wein

Teil der Auktion sind bestimmt auch Reste eines „Schatzes“ gewesen, den Frau Schiller im Keller des Schlosses lange Zeit gehütet hatte. Durch die Napoleonischen Feldzüge herrschte in großen Teilen Europas ein ständiger kriegsähnlicher Zustand. Soldaten wurden zwangsweise einquartiert und mussten verköstigt werden. Vor allem gierten sie nach Wein, den sich die Einwohner selbst nicht leisten konnten.

Elisabetha Dorothea Schiller hatte im Schlosskeller zwei Eimer besten Weins, hat Ute Schönwitz, die ehemalige Geschäftsführerin der Schellinggesellschaft und Kennerin der Biografie von Elisabetha Dorothea Schiller, herausgefunden. Da ein Maß Wein (knapp zwei Liter) einen Gulden kostete, ein württembergischer Eimer aber 294 Liter fasste, war das einiges wert.

Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) hatte sich Johann Caspar Schiller zum Regimentsmedicus emporgearbeitet. Seine Frau wanderte mit ihren Kindern Christophine und Friedrich immer wieder hinterher, bevor die Familie auf Solitude heimisch wurde, weil der Vater 1775 Intendant der herzoglichen Hofgärtnerei wurde.

Weitere Kinder waren die 1766 geborene Luise Dorothea Katharina, 1768 kam Maria Charlotte zur Welt, die im Alter von fünf Jahren starb, Beata Friederike (1773) starb als Säugling. Karoline Christiane, Nanette genannt, brachte Elisabeth-Dorothea Schiller 1777 im Alter von 44 Jahren zur Welt. Das „Nesthäkchen“ starb im Alter von 19 Jahren an Typhus. Die Krankheit hatten die französischen Truppen auf der Solitude eingeschleppt.

Erbschaftspapiere lagern im Leonberger Stadtarchiv

Von den Schwestern des Dichters weiß man, dass er zu Christophine, die zwei Jahre älter war als er, die engste Beziehung hatte. Sie schrieben sich regelmäßig. Sie konnte zeichnen und hat unter anderem eine Stadtansicht Marbachs angefertigt. Louise machte eine Putzmacherausbildung (Modistin). Sie begleitete die Mutter in das Leonberger Schloss und heiratete den Gerlinger Vikar Johann Gottlieb Frankh.

Von ihr leben bis heute Nachkommen in den USA, haben Mitarbeiterinnen des Schiller-Nationalmuseums in Marbach herausgefunden. Die 18 Jahre jüngere Nanette kannte der geflüchtete Bruder kaum. Als sie ihn mit 15 Jahren besuchte und eines seiner Theaterstücker sah, war sie so begeistert, dass sie selbst Schauspielerin werden wollte.

Die Papiere, die die Erbschaft regeln, lagern im Leonberger Stadtarchiv. Ein Dokument ist der Brief mit der originalen Unterschrift Friedrich Schillers. Sie steht auf der Vollmacht an den Tübinger Verleger Friedrich Cotta. Den bittet Schiller, sich in seinem Sinne um das Erbe der Mutter zu kümmern. Das hat der Dichter seinem Verlegerfreund auch in einem Brief vom 1. Juli 1802 aus Weimar angekündigt.

„Ich danke Ihnen für Ihre gütigen Bemühungen in Betreff meiner Erbschafts-Angelegenheit. Was jene Verzichtleistung betrifft, so erinnere ich mich zwar, auf die Erbschaft meines Vaters, aber nicht auf die meiner Mutter Verzicht gethan zu haben. War aber meine Erklärung damals so abgefaßt, daß sie meinen Schwestern einen ausschließenden Anspruch an die ganze Erbschaft giebt, so wäre es gegen meine Denkart, zu retractieren.“

Friedrich überweist seiner Mutter regelmäßig Geld

Weiter heißt es in dem Schreiben: „Daß ich mir auch durch jene frühere Erklärung das Recht sollte benommen haben, das meiner Mutter gegebene Jahrgeld als ein Darlehn zurück zu fordern, davon weiß ich nichts“, schreibt der Sohn an Cotta, der jährlich 120 Gulden aus den Honoraren des Dichters überwiesen hatte. Dieses Geld sollte die knappe herzogliche Rente ergänzen. Diese bekam die Witwe zusätzlich zum unentgeltlichen Wohnrecht im Leonberger Schloss.

Der Verleger Johann Friedrich Cotta (1764-1832), der auch als Industriepionier und Politiker tätig war, hatte das marode Familienunternehmen zum bedeutendsten Verlag der deutschen Klassik ausgebaut. Überhaupt war Cotta ein wichtiges Bindeglied zwischen Jena und Weimar und Leonberg. Schiller legt seinen Briefen an den Verleger in Tübingen häufig ein Schreiben an die Mutter bei, um das Porto zu sparen.

Kein Zwist ums Erbe

Doch Friedrich Schiller will sich wegen der Erbschaft nicht mit den Schwestern verwerfen und lässt Cotta wissen: „Weil aber dieser Fall von einer delicaten Art ist, und ich nichts so sehr scheue und hasse, als darüber zu Erörterungen mit meinen Schwestern oder gar in rechtliche Discussionen zu gerathen, so übergebe ich Ihnen werthester Freund, diese Sache ganz uneingeschränkt. Ist der Fall so, daß ich ohne einen Widerspruch zu begehen, nichts von der Erbschaft weder als MitErbe noch als ein Creditor meiner Mutter in Anspruch nehmen kann, so entscheiden Sie sogleich statt meiner wie es die Ehre fordert, und so wie Sie Sich in einem ähnlichen Falle selbst verhalten würden.“

Angesichts des bisher guten Einvernehmens in der Familie ist Friedrich überzeugt: „Uebrigens weiß ich, daß es meiner Mutter nie eingefallen, mich und meine Kinder als von der Erbschaft ausgeschlossen zu betrachten, und eben so wenig haben meine Schwestern und mein Schwager an so etwas gedacht, da der leztere noch vor kurzem wegen meiner Erbschaftsportion meine Aufträge verlangte“, klärt Schiller Cotta über seinen Standpunkt in der Angelegenheit auf.

Es ist nicht bekannt, dass es Zwist wegen des Erbes gegeben hat. In Cleversulzbach kümmert sich Louise um das Grab der Mutter bis 1805, als Pfarrer Frankh nach Möckmühl versetzt wird. Dreißig Jahre später wird sich ein anderer Pfarrer, Eduard Mörike, des Grabes annehmen und es 1834 wieder herrichten lassen. In den Grabstein ritzte er selbst die schlichte Inschrift „Schillers Mutter“. In einem benachbarten Grab bestattete er seine eigene Mutter, Charlotte Mörike.