Vor 25 Jahren OB in Konstanz Horst Frank war der erste grüne OB – bundesweit

Horst Frank vor der Hafenschönheit Imperia Foto: Wein

Vor 25 Jahren wurde in Konstanz erstmals ein Grünenpolitiker zum Oberbürgermeister gewählt. Während bei der CDU Tränen kullerten, war es für die Ökopartei der Durchbruch in die Mitte.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Vor der Wahl haben sie noch gespottet: Wenn der Grüne gewinne, würden Krokodile im Bodensee ausgesetzt, auf der Rheinbrücke würden Radieschenbeete angelegt und die Straßen würden zu Radwegen umgebaut. Hinterher, so ist es überliefert, hat zumindest der unterlegene CDU-Kandidat geweint, und es wären im bürgerlichen Lager wohl noch mehr Tränen geflossen, wenn man geahnt hätte, was noch folgen würde. Vor 25 Jahren, am 7. Juli 1996, gab es in Konstanz eine bundesweite Premiere. Erstmals wurde ein Grüner an die Spitze einer Großen Kreisstadt gewählt.

 

Innerhalb der Partei wurde es als Durchbruch gefeiert. Mit dem Sieg von Horst Frank in Konstanz stiegen auch die Chancen des Grünen-Bewerbers Rezzo Schlauch, in Stuttgart OB zu werden, frohlockte der damalige Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Fritz Kuhn. Ganz so einfach war es dann doch nicht. Schlauch scheiterte. Erst Kuhn selbst schaffte es Jahre später an die Spitze der Landeshauptstadt. Doch der Bann war gebrochen. Die Grünen waren nicht mehr länger Bürgerschreck, sondern hatten sich auf den Weg gemacht, zu einer Volkspartei zu werden.

Der Sieg im zweiten Wahlgang

Frank war kein Parteipromi wie Dieter Salomon und Boris Palmer, die später in Freiburg und Tübingen siegten. Dennoch kam sein Erfolg bei der Konstanzer Oberbürgermeisterwahl nicht von ungefähr. Seit der Universitätsgründung Ende der 60er Jahre hatte sich die katholisch-liberale Stadtgesellschaft gewandelt. Schon im ersten Wahlgang war der damals 47-jährige Rechtsanwalt, in der Stadt bekannt als Kreisrat und BUND-Chef, knapp vorne gelegen. Beim zweiten zog er auf 35,7 Prozent davon, dahinter folgten abgeschlagen mit 25,3 und 19,9 Prozent die Kandidaten von SPD und CDU.

Nicht nur die Landespresse berichtete. Auch die „Süddeutsche Zeitung“, die linksalternative „Taz“ und der „Spiegel“ schickten ihre Reporter, um von der „grünen Welle am Bodensee“ zu berichten. Kurz zuvor hatte auf der anderen Seeseite in Uhldingen-Mühlhofen ebenfalls ein Grüner das Rathaus erobert.

Das Problem mit dem grünen Oppositionsgen

25 Jahre später sitzt Horst Frank bei „Rosi“, einem bei Touristen wie Konstanzern gleichsam beliebten Kiosk im Stadtgarten, und trinkt einen Milchkaffee. Als OB fuhr er mit dem Fahrrad ins Rathaus, jetzt ist er mit dem E-Bike gekommen. „Das ist für mich ein lange zurückliegender Lebensabschnitt“, sagt der 72-Jährige und blickt auf den See.

Der Start damals sei nicht einfach gewesen. Das lag nicht etwa an der Verwaltung, die ihn hätte auflaufen lassen. „Es lag an mir.“ Misstrauisch sei er gewesen. „Wir Grünen hatten uns in der Oppositionsrolle gut eingerichtet.“ Für ihn ist auch das der Grund, warum grüne Rathauschefs immer noch eine Seltenheit sind.

Wiederwahl mit Ach und Krach

2004 wurde Frank mit Ach und Krach im zweiten Wahlgang wieder gewählt. 2012, als Winfried Kretschmann schon Ministerpräsident war, verzichtete er auf eine erneute Kandidatur. Eigentlich hätte er gerne weitergemacht, aber auch innerhalb der eigenen Partei habe man ihm abgeraten. Klar habe ihn das verletzt, andererseits sei der Verzicht richtig gewesen – aus gesundheitlichen Gründen, und weil die Wiederwahl ja keineswegs sicher gewesen wäre. Salomon hat es in Freiburg Jahre später leidlich erfahren müssen.

Zu viele Kompromisse?

Das Verhältnis zur eigenen Fraktion sei nicht immer einfach gewesen, sagt Frank. Längst beschlossene Projekte wie die vierspurige Anbindung der Stadt ans Autobahnnetz oder den Bau eines großen Einkaufszentrums wollte er nicht neu verhandeln. Auch sonst machte er in den Augen vieler Grünen zu viele Kompromisse mit der damals noch konservativen Ratsmehrheit. „Politik ist die Kunst des Möglichen“, sagt er. Dass dabei im Hinblick auf die Klimakrise aus heutiger Sicht nicht immer das Nötige herausgekommen sei, sei leider auch wahr.

Als Abiturient war er noch mit Mao-Bibel und Revoluzzermütze durch die Stadt gelaufen. Nun war er eher bürgerlich. Und auch ein leutseliger Typ ist Frank nie gewesen. Wenn er bei der Konstanzer Fernsehfasnacht in der ersten Reihe saß, wirkte er wie Falschgeld. „Meine Frau hat mich unterm Tisch angestoßen, damit ich lache, wenn die Kamera kommt.“ Neidisch habe er zum damaligen Landrat Frank Hämmerle (CDU) geblickt. „Auch wenn wir das Programm zum fünften Mal gehört haben, konnte der sich noch auf die Schenkel klopfen.“

Und wo bleiben die Krokodile?

Ein Parteisoldat war Frank nie, aber ein überzeugter Grüner ist er bis heute geblieben, wenngleich er sich nur noch selten zu Wort meldet. Zuletzt war es vergangenes Jahr, als er die Freie Grüne Liste dringend dazu aufrief, bei der Konstanzer OB-Wahl auf einen Kandidaten aus den eigenen Reihen zu setzen. Die Mahnung blieb ungehört. Man unterstützte den Stuttgarter Linken Luigi Pantisano. Er wäre der erste linke OB in einer westdeutschen Stadt gewesen. Aber diesmal wollten die Konstanzer Wähler keine Geschichte schreiben. Es siegte der grün angehauchte CDU-Amtsinhaber Uli Burchardt.

Dies ist vielleicht auch eine Botschaft von Franks damaligem Erfolg: Wenn die Grünen mehrheitsfähig sein wollen, müssen sie in die Mitte streben. Konstanz hat es wohl nicht geschadet. Krokodile tauchten keine auf. Auch die Radieschen wachsen weiterhin auf den Feldern im Tägermoos und nicht auf der Rheinbrücke. Fahrradstraßen gibt es allerdings einige. Aber die gibt es längst auch anderswo.

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