Die DFB-Elf läuft nun öfters mit einer Dreierkette in der Defensive auf. Für den Bundestrainer Joachim Löw ist das neue Modell trotz Kritik von außen mit Blick auf die EM alternativlos.

Sport: Marco Seliger (sem)

Köln - Bevor der Bundestrainer über das reden konnte, was ihn wirklich beschäftigt (Dinge auf dem Fußballplatz, Ausrichtungen, Philosophien), ging es um ihn selbst. Und um Sätze und Eindrücke, die er zuletzt hinterlassen hatte. Nach dem Spiel in der Ukraine (2:1) hatte Löw zu einem über vier Minuten langen Monolog angesetzt und erklärt: „Ich stehe über den Dingen, was Kritik betrifft.“ In diesem Duktus ging es weiter, frei nach dem Löw-Motto: Ich bin lange genug dabei, und ich weiß schon, was ich tue.

 

Es waren Aussagen und Haltungen, die manche als dünnhäutig und manche sogar als arrogant bezeichneten. Nun, vor dem Nations-League-Spiel an diesem Dienstag gegen die Schweiz in Köln (20.45 Uhr/ARD), sagte Löw dies dazu, als er auf der Pressekonferenz am Montagmittag danach gefragt wurde: „Ich sage es einfach so, wie ich es denke.“ Und weiter: „Als dünnhäutig und arrogant würde ich mich nicht bezeichnen. Ich benenne die Dinge so, wie ich sie empfinde.“

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Löw sagte auch noch, dass er die jüngste Kritik an manchen Aufstellungen und Systemen und damit an ihm natürlich mitbekommen habe, „beispielsweise von Bastian Schweinsteiger“. Das sei aber nicht respektlos, so Löw weiter, „die Leute müssen ja ihre Meinung haben und vertreten. Sonst wäre es langweilig.“ Und überhaupt, das Verhältnis zu seinem ehemaligen Mittelfeldchef Schweinsteiger, das sei absolut intakt.

Das also wäre fürs Erste geklärt, auch wenn das zumindest aus Löws Sicht bei der Pressekonferenz von Köln sicher alles ein bisschen zu viel Zeit in Anspruch nahm. Denn Löw ist bei allen Debatten zuvorderst immer noch eins (und sieht sich zuvorderst selbst so): Er ist ein Fußballlehrer, der die deutsche Auswahl bestmöglich aufs nächste Turnier, in dem Fall ist das die EM im nächsten Sommer, vorbereiten soll. Und als solcher referiert er am liebsten über Entwicklungen auf dem Platz. Und eben nicht über diese komischen Nebengeräusche wie Expertenmeinungen von außerhalb, die diesen Löw traditionell so sehr interessieren wie die Ergebnisse der zweiten chinesischen Liga vom Wochenende.

Fragen über Fragen

Nun also ging es nach dem Vorgeplänkel um die Taktik – und damit dann doch auch um die Fragen, die sich nicht nur Experten wie Schweinsteiger zuletzt stellten: Warum spielt dieser Löw neuerdings immer mit einer Dreierkette sowie zwei gelernten Außenverteidigern in der Abwehr und nicht mehr mit einer Viererkette? Und: warum braucht es auch gegen schwächere Gegner wie die Ukraine insgesamt fünf Abwehrspieler? Ist das alles nicht viel zu defensiv ausgerichtet?

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Joachim Löw legte am Montag im Staccato-Takt los mit seinen Antworten. „Die Viererkette können wir weiterhin spielen, das kennen die meisten aus dem Verein“, sagte Löw, der längst die EM im nächsten Sommer im Blick hat. Und alles danach ausrichtet. Der Coach will, dass sein Team beim Turnier beide Spielformen beherrscht. Die DFB-Elf trifft bereits in der Vorrunde mit Portugal und Frankreich auf große Gegner. Und gerade gegen solche Mannschaften könne es wichtig sein, mittels einer Dreierkette mit drei gelernten Innen- und zwei Außenverteidigern daneben an Stabilität zu gewinnen und das Zentrum zu stärken, sagte Löw: „Ich möchte einfach, dass wir auf unterschiedliche Situationen reagieren können.“

Warum Löw das alles schon jetzt einstudieren will, das liegt für ihn auf der Hand: „Wir haben keine 300 Trainingseinheiten im Jahr zur Verfügung.“ Also lässt der Bundestrainer schon jetzt im Herbst den defensiven Ernstfall proben.

Nur Süle verkörpert internationale Klasse

Dabei ist es ja zumindest ein bisschen skurril, dass Löw nun aufgrund der Umstellung auf die Dreierkette in der Kritik steht – denn dieser Löw war es ja rund ums WM-Debakel 2018, dem die meisten Experten Sturheit (nur Offensive, nur Ballbesitz, nur Viererkette) vorwarfen. Jetzt will Löw defensiver stehen und gegen stärkere Gegner den Konterüberfall wagen. Und auch das passt nun vielen offenbar nicht. All das aber perlt an Löw ab. Der gelassene Bundestrainer widmet sich da lieber übergeordneten Dingen, die für ihn sogar auch über der Systemfrage stehen. Ebenso wie über der mitten im Umbruch immer wieder gestellten Frage nach der Qualität seiner Abwehrreihe, in der bisher nur Niklas Süle so etwas wie gehobene internationale Klasse verkörpert.

Darauf angesprochen, gab Löw keine konkrete Antwort. Er sprach stattdessen über dies: „Was bei uns ein Thema ist, was immer wieder besprochen wird und was ich von der Mannschaft erwarte, ist, dass wir eine Philosophie verfolgen – und die hat nichts mit dem System zu tun.“ Für den Bundestrainer sind das die großen Fragen: „Wie können wir flach spielen, welche Räume öffnen sich, welche kann ich frei machen?“ Es gehe um die Positionierungen beim eigenen Ballbesitz, ergänzte Löw. Und: „Es geht nicht darum, ob wir hinten zu dritt oder zu viert stehen. Wir müssen die Art und Weise, wie wir uns bewegen, verbessern – das ist wichtig.“ Nicht das „Wer“ also ist entscheidend für den Ästheten Löw. Sondern zuallererst das „Wie“.