In dieser Woche treffen sich Union, FDP und Grüne zu Gesprächen über die Regierungsbildung. Schon vor der Sondierung ist klar, ein Jamaikabündinis ist die einzige realistische Koalitionsoption.

Berlin - Schon die Bezeichnung will dieses Mal nicht so recht passen. Zu sondieren bedeutet bekanntlich vorzufühlen, was mit welcher Partei gehen könnte – und sich dann gegebenenfalls für eine andere Variante entscheiden. Weil Kanzlerin Angela Merkel als CDU-Chefverhandlerin allerdings der festen Überzeugung ist, dass sich die bei der Wahl gedemütigte SPD in keinem Fall erneut für eine große Koalition zur Verfügung stellen wird, bleibt nach dieser Bundestagswahl ehrlicherweise nur ein Jamaikabündnis mit Grünen und Liberalen.

 

Einzige Alternative dazu sind Neuwahlen, von denen die allermeisten Beteiligten, allen voran Merkel, jedoch abraten. Sie befürchten, dass ein Nichtzustandekommen von Schwarz-Gelb-Grün diesen etablierten Parteien weiteren Imageschaden zufügen und die gerade mit Macht ins Parlament gewählte AfD weiter stärken könnte.

CSU zeigt sich „ergebnisorientiert“

„Sondierung ist Sondierung“, heißt es zwar beharrlich an der Münchner CSU-Spitze, um den eigenen Anhängern nicht schon jetzt eine Koalition mit den ungeliebten Grünen verkaufen zu müssen: „Da muss man klären, was verhandelbar ist und was nicht, und dann seine Schlüsse ziehen.“ Und doch hat aus Parteichef Horst Seehofer schon die maximale Bereitschaft gesprochen, die einzig realistische Koalitionsoption auch zu realisieren. In der zurückliegenden Woche etwa vermied er es tunlichst, den unionsinternen Flüchtlingskompromiss gegenüber den Partnern in spe als rote Linie zu bezeichnen – um sich stattdessen „ergebnisorientiert“ zu zeigen.

Hoher Erfolgsdruck

Das verändert den Charakter der Sondierungsgespräche, die am Mittwoch und Donnerstag mit bilateralen Treffen beginnen, ehe sich am Freitag erstmals Abgesandte von CDU, CSU, FDP und Grünen gemeinsam treffen. Der Erfolgsdruck ist hoch – die Gespräche dürften sich bereits von Anfang an weniger um das Ob, sondern mehr um das Wie drehen. Dazu passt, dass in Vorgesprächen Merkels mit den anderen Parteichefs eine wichtige Vorfestlegung getroffen wurde: Die beteiligten Partner wollen an diesem Montag – wenn ihre Gremien nach der Niedersachsen-Wahl ohnehin zusammentreten – Leitlinien für die anstehenden Sondierungen beschließen.

Und die sollen eben keine „Negativliste“ mit Punkten sein, die mit der jeweiligen Partei keinesfalls zu machen sind, sondern eher eine „Positivliste“ mit Dingen, mit denen Union, FDP und Grüne die eigene Klientel von Jamaika überzeugen wollen.

Knackpunkte zu Beginn klären

Die großen Knackpunkte, die sich daraus natürlich dennoch ergeben in der Flüchtlingspolitik, in Energiefragen, beim Klimaschutz, in der Agrarpolitik oder im Steuerrecht, dürften somit gleich zu Beginn der Sondierungen auf der Tagesordnung stehen, da es im offiziellen Koalitionsverhandlungsteil nicht zu klassischen Kompromissen kommen soll, wie ein Beteiligter sagt: „Wir müssen schon in der Sondierungsphase klären, wer auf welchem Gebiet glänzen darf und wer dort zurücksteckt.“

Druck diesbezüglich machen vor allem die Grünen, bei denen ein Parteitag über die Aufnahme offizieller Koalitionsverhandlungen beschließen soll. In deren Bundestagsfraktion wird bestätigt, dass die Forderung nach einem Neudeutsch sogenannten letter of intent in der Partei weit verbreitet ist. Das hieße in der Praxis, dass Ergebnisse und Zusagen aus den Sondierungsgesprächen, also die zentralen Eckpunkte eines dann noch auszuarbeitenden Koalitionsvertrags, schriftlich festgehalten würden – damit Parteichef Cem Özdemir der grünen Delegiertenkonferenz bereits konkrete grüne Erfolge vermelden könnte, um sie von einer Zusammenarbeit mit Schwarzen und Gelben zu überzeugen.

Koalitionsverhandlungen für die Details

Um dorthin zu kommen, könnte die offizielle Sondierungsphase den Hauptteil der Gespräche einnehmen, die offiziellen Koalitionsverhandlungen dienten dann möglicherweise eher der Detailarbeit. Weil ebendieser Grünen-Parteitag in der CDU-Spitze als „höchste Hürde für Jamaika“ gesehen wird, gibt es dort eine gewisse Bereitschaft, so vorzugehen.

Ganz so weit sind CSU und FDP offensichtlich noch nicht. „Es besteht die berechtigte Sorge, dass das von den Grünen favorisierte Verfahren zu Vorfestlegungen führen würde – das wäre problematisch“, meint der baden-württembergische Landeschef der Liberalen, Michael Theurer, der mit am Verhandlungstisch sitzen wird. „Sondierungen können Koalitionsverhandlungen nicht ersetzen“, meint Theurer. Unter den Berliner „Jamaikanern“ sehen das aber längst nicht alle so.