Die Industriemesse, die Ende April in Hannover stattfindet, ist ein Pflichtermin für viele baden-württembergische Unternehmen. Auch in diesem Jahr wird Industrie 4.0 im Mittelpunkt der Präsentationen stehen.

Stuttgart - Baden-Württemberg will beim Thema Industrie 4.0 deutlich vorankommen. Zwar sei der Südwesten sowohl im Bundes- als auch im EU-Vergleich führend, wenn es es um die digitale Vernetzung der Industrie gehe, sagte Katharina Mattes, die Leiterin der Koordinierungsstelle der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg, am Rande einer Veranstaltung der Hannover Messe in Ostfildern. Aber ihrer Ansicht nach „hapert es an neuen Produkten und Innovationen“ im Zusammenhang mit Industrie 4.0. „Wir müssen die Innovationsprozesse beschleunigen“, forderte Mattes. Sie denkt dabei nicht zuletzt an die Vielzahl der Betriebe im Land, die sich bisher noch nicht oder kaum mit der Digitalisierung beschäftigt haben. „Viele Unternehmen machen Business als usual“, sagte sie. Eine Befragung von Fraunhofer im Jahr 2015 hat gezeigt, dass gerade mal 20 Prozent der Unternehmen im Südwesten bei Industrie 4.0 gut aufgestellt sind – dazu gehören natürlich Innovationstreiber wie Bosch, Trumpf oder Pilz.

 

Die Allianz Industrie 4.0, die im Frühjahr 2015 gegründet wurde, hat gleich mehrere Initiativen auf den Weg gebracht, um auch den noch zögernden Unternehmen die Digitalisierung näher zu bringen. Geplant ist ein Scouting – dabei sollen Experten Mittelständlern mit weniger als 500 Beschäftigten konkrete Hilfestellungen für den Einstieg in die Industrie 4.0 geben; es geht also um Wissens- und Technologietransfer. Für zweieinhalb Tage, das sieht das Konzept vor, besucht ein Experte, der zuvor zertifiziert wurde, ein Unternehmen. Das Projekt Scouting, das vom Stuttgarter Wirtschaftsministerium mit insgesamt 605 000 Euro bis 2019 gefördert wird, soll im Juli mit zunächst zehn Experten starten. 50 Prozent der Kosten für das Scouting werden übernommen.

Von den Digitallotsen abgeguckt

Scouting ist kein ganz neues Konzept. Mit den Digitallotsen habe das Ministerium in Stuttgart bereits 2016 ein ähnliches Modell auf den Weg gebracht, das sich allerdings nicht unbedingt an die Industrie wendet. Vielmehr sollen Mittelständler aus dem Handwerk, dem Handelsverband und dem Hotel- und Gaststättenverband für die Digitalisierung sensibilisiert werden. Die Allianz Industrie 4.0 will den Industrieunternehmen noch weitere Impulse geben. Schon im nächsten Monat soll das bereits bestehende Modell der Innovationsgutscheine erweitert werden. Neu ist, dass Projekte rund um Forschung und Entwicklung, die Mittelständler gemeinsam mit Start-ups angehen, gefördert werden. Die Mittelständler dürfen dabei höchstens 250 Mitarbeiter haben.

Wer sich bisher noch nicht mit Industrie 4.0 beschäftigt hat, kann sich Anwendungen auf der Industriemesse, die Ende April in Hannover stattfindet, vorführen lassen. 500 Beispiele sollen dort zu sehen sein. Darunter ist auch der Automatisierungsspezialist Pilz aus Ostfildern (2000 Mitarbeiter). Im Vorfeld der Industrieschau hat das Unternehmen einen Einblick in die industrielle Zukunft gegeben, so wie Pilz sie sieht: Ein Roboterarm greift nach einem Täfelchen Schokolade oder einem Überraschungsei, hält es über eine Kamera und legt es dann in den Behälter, der für die Süßigkeit vorgesehen ist. Was hier zu Demonstrationszwecken Schokolade ist, könnten im industriellen Alltag Komponenten sein. Die Kamera prüft die Qualität und Vollständigkeit der Komponenten – und legt sie auf dem Band entweder für gute oder für nachzubessernde Teile ab. Der Roboter ist nicht von Pilz, aber das Familienunternehmen hat ein Kollisionsmessgerät entwickelt; der Roboter stoppt, sobald der Mensch ihm zu nahe kommt.

Sicher verkabelt

Wie wichtig eine sichere Verkabelung im Zeitalter von Industrie 4.0 ist, zeigt der Stuttgarter Kabelhersteller Lapp (3300 Mitarbeiter). „In Werken werden Kabel häufig im Umfeld mit Ölen und Fetten eingesetzt, teilweise bei hohen Temperaturen und hohen mechanischen Verbindungen für die Leitungen“, erläutert Guido Ege, Leiter Technik und Produktmanagement bei Lapp. Und bei der Herstellung von Nahrungsmitteln wirkten zudem Reinigungsmittel auf die Kabel ein. Dies bringe besondere Anforderungen an Material, Biegefähigkeit und Sicherheit mit sich, so Ege. Kabel würden zudem immer wichtiger. Studien gingen davon aus, dass sich die Anzahl der Komponenten, die in den nächsten drei Jahren zu vernetzen sind, versechsfachen werden. Wesentlicher Grund dafür sei eine zunehmende Dezentralisierung der industriellen Steuerung sowie die zunehmende Bedeutung von Sensorik. Kabellose Übertragungen hält Ege nicht für einen gangbaren Weg. Zum einen seien die benötigten Übertragungsraten zu groß für Funklösungen, zum anderen bestehe die Gefahr von Störungen, wenn Funkverbindungen sich kreuzen.