Der CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff ist in Sachsen-Anhalt populär, aber die AfD setzt ihm spürbar zu. Sie ist so stark wie in keinem anderen Bundesland.

Magdeburg - Hemdsärmelig, Ruhe ausstrahlend und Zuverlässigkeit: „Unser Landesvater“ steht da ganz groß neben dem Porträt von Reiner Haselhoff (62) auf den Wahlplakaten der CDU in Sachsen-Anhalt. „Keine Experimente“ wirbt Haselhoff mit dem uralten Adenauer’schen CDU-Motto. Er will die seit 2006 bestehende Koalition mit der SPD fortführen, wirbt für eine „stabile Regierung der Mitte“. Doch vielleicht wird Haseloff zu Experimenten gezwungen, denn die jüngsten Umfragen sehen Schwarz-Rot ohne eine Mehrheit. Der starke Aufwärtstrend der AfD hat in Magdeburg sämtliche Planspiele über den Haufen geworfen: Vor einem halben Jahr noch hatten die Auguren gar eine Rot-Rot-Grüne Mehrheit für wahrscheinlich gehalten – den Machtwechsel. Der Plan ist Makulatur, denn nach der neuesten Umfrage schwächelt die Linkspartei und die Sozialdemokraten sind regelrecht eingebrochen. Und die Grünen – „Für Mutter Natur“ plakatieren sie klassisch – müssen mit aktuell fünf Prozent sogar um den Wiedereinzug in den Landtag fürchten.

 

Vor allem die SPD ist im Zangengriff: Einerseits hat sie als Koalitionspartner mit ihrem Finanzminister Jens Bullerjahn, dem „Spar-General“, heftig kritisierte Einschnitte im öffentlichen Dienst sowie Schulschließungen mitgetragen. Das hat nach dem Ausstieg Bullerjahns aus der Politik die neue SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde, die schon lange auf Rot-Rot-Grün setzt, nun auszubaden. Auch die Flüchtlingspolitik beutelt die Genossen, fünf Monate vor der Wahl hat der SPD-Bürgermeister von Magdeburg sein Parteibuch aus Protest abgegeben – ein Affront für Budde. Ein Teil des Wählerpotenzials der Genossen ist offenbar bereit, zur rechtspopulistischen AfD unter André Poggenburg zu wechseln, einem wegen Zahlungsproblemen mehrfach mit Haftbefehlen konfrontierten Kleinunternehmer.

Die AfD – so stark wie nirgends sonst

Die AfD punktet mit der Flüchtlingskrise. Er sei „froh, ein Rechtspopulist“ zu sein, sagt Poggenburg, er wirbt mit Patriotismus und Heimatliebe und stellt seine Partei als „die neue CDU“ dar. Mit dem AfD-Hardliner Björn Höcke aus Thüringen verbindet Poggenburg eine so enge Freundschaft, dass er schon als Höckes „Bauchredner im Bundesvorstand“ der AfD bezeichnet wird.

Ministerpräsident Haseloff hat eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, aber eine Regierungsbildung könnte ähnlich wie in Baden-Württemberg schwierig werden, weil nach der Wahl vermutlich fünf Parteien im mindestens 87 Abgeordnete zählenden Landtag (Überhangmandate sind möglich) vertreten sind und es keine klare Mehrheit gibt. Eine von wem auch immer tolerierte Minderheitsregierung schließt Haseloff aus: Von 1994 bis 2002 hat es eine von den Linken geduldete rot-grüne Minderheitsregierung gegeben – das „Magdeburger Modell“. Doch das habe dem Land „nicht gut getan“, sagt Haseloff.

Die Tragik der Linken: standhaft, aber nicht am Ziel

Zur tragischen Figur im Landtagswahlkampf ist der Linken-Spitzenkandidat Wulf Gallert (52) geworden. Er probiert schon zum dritten Mal den Sprung in die Staatskanzlei. Obwohl er den „sozial-ökonomischen Stillstand“ des Landes eindrucksvoll skizziert, den Abbau von Polizeistellen, Unterrichtsfall und die „Billiglohnmentalität“ im Lande, kann Gallert mit Sachthemen nicht punkten. Der Linken schwimmen die Felle davon, wie die Umfragen zeigen. Das mag an der Person des Lehrers Gallerts liegen, der sich im Wahlkampf ungeschickt als „Frauenversteher“ darstellt, aber auch an seiner in die Zeit nicht passende Standhaftigkeit bei der Frage einer solidarischen Flüchtlingspolitik: „Brandstifter abschieben“ lässt Gallert plakatieren, und Haseloff wirft er vor, der „Seehofer des Ostens“ zu sein und „der AfD hinterherzulaufen“. Bei den Sympathiewerten kommen sowohl Gallert als auch die SPD-Frau Budde („Es wird Zeit für Katrin Budde) nur auf zwölf Prozent, Reiner Haseloff führt klar mit 46 Prozent.

Bleibt Haseloff im Amt, will er die mit zehn Prozent noch hohe Arbeitslosenquote drücken und seine Sparreformen zum Teil zurücknehmen. „Wir sind jetzt damit durch“, sagt er über die Schulschließungen. Fokussiert auf die Ernährungsindustrie, Landwirtschaft und einige Chemiefirmen hat das Land beim Wirtschaftswachstum die Rote Laterne im Ländervergleich getragen. Die Ausgaben der heimischen Wirtschaft für Forschung etwa liegen bei 95 Euro pro Einwohner, in Baden-Württemberg 16mal höher. Immerhin: Lange kämpfte das Land mit der Abwanderung, 2014 gab es erstmals mehr Zuwanderung.