Spielerisch liegt beim VfB einiges im Argen. „Wir sind eine Arbeitertruppe“, sagt Holger Badstuber. Manager Michael Reschke ist also gefordert, über Neuzugänge das fußballerische Element zu beleben.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Der Schlusspfiff ist bereits vor 90 Minuten ertönt, die letzten Biere und Bratwürste sind längst verkauft, als sich eine Gruppe zynischer Spaßvögel rund um den dunklen Teambus des Hamburger SV versammelt. „Viel Vergnügen auf St. Pauli!“, grölt die Meute den HSV-Profis beim Einsteigen hinterher – und verbindet damit nicht etwa ihre besten Wünsche hinsichtlich eines flotten Bummels der Fußballer über die Reeperbahn. Vielmehr wird es in Hamburg in der neuen Saison nach Lage der Dinge erstmals zwei Zweitliga-Stadtderbys geben, sollten die Kiezkicker vom FC St. Pauli die Klasse halten.

 

Der VfB muss diesmal nicht bis zuletzt zittern

Während für den ruhmreichen HSV nach dem 1:1 von Stuttgart also der erste Bundesligaabstieg der Clubgeschichte immer näher rückt, stellt sich zeitgleich beim VfB ein ebenfalls ungewohntes Gefühl ein: „Die Wahrscheinlichkeit auf den Klassenerhalt ist sehr groß. Wir werden nicht mehr absteigen“, sagte der VfB-Manager Michael Reschke zu der Tatsache, dass die Stuttgarter vor dem Gastspiel am nächsten Sonntag (15.30 Uhr) bei Borussia Dortmund sorgenfrei auf die Tabelle schauen können. Sechs Spieltage vor dem Saisonende hat der Aufsteiger weiter zwölf Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang 16. Erstmals seit der Saison 2011/12 ringt der Deutscher Meister von 2007 daher nicht bis zum letzten Spieltag um die Existenz.

Dies bringt Entspannung in die Gesichtern der Akteure – guten Fußball hat es gegen den HSV aber beileibe nicht gebracht. Dies ist ärgerlich, war das Stadion doch mit 58 826 Besuchern ausverkauft, das Wetter passte, und zudem traf man auf einen stark verunsicherten Gegner vom HSV, der seine Startaufstellung abermals durcheinandergewürfelt hatte und im Spiel dann auch hinreichend unter Beweis stellte, dass vieles im Zeichen der Raute eben längst nicht erstklassig ist.

Deutlich wurde aber auch beim VfB, dass der eigene Matchplan zwar ausreicht, um die Erfolgsserie auf nun acht Spiele ohne Niederlage seit der Amtsübernahme von Tayfun Korkut auszubauen. Der Cheftrainer konnte also am Ostermontag gelöst seinen 44. Geburtstag feiern. Zum Zungeschnalzen sind die Spiele des VfB aber weiterhin nicht. Dass Stuttgart nicht die Brutstätte des Tiki-Taka-Fußballs ist, das haben die Fans längst akzeptiert. Doch jetzt, da der Klassenerhalt in trockenen Tüchern ist, dürfen sich die Stuttgarter schon mal auf die Suche nach mehr Spielfluss begeben, denn auch Michael Reschke gibt zu: „Spielerisch war das nicht grandios. Das hat ja jeder gesehen.“

Holger Badstuber ist auch abseits des Platzes ein kantiges Naturell – und nennt die Dinge daher beim Namen: „Wir sind eben eine Arbeitertruppe, eine Zweikampftruppe“, erklärt der Innenverteidiger: „Wir sind keine Spieler, die die großen Kombinierer sind.“ Und mit Blick auf die beiden Stürmer Daniel Ginczek, dem nach 44 Minuten per Abstauber der Ausgleich zum 1:1 gelungen war, sowie auf Mario Gomez ergänzt Badstuber: „Unsere beiden Großen arbeiten in der Box – da erzielen sie ihre Tore.“ Also besteht die offensive Spielphilosphie des VfB bis auf Weiteres darin, den Ball möglichst schnörkellos ganz nach vorne zu bekommen. Wobei sich Mario Gomez gegen den HSV das schwächste Spiel seit seiner Rückkehr leistete, denn der Nationalspieler wirkte nach seinem Einsatz gegen Brasilien in vielen Aktionen, als hätte bei ihm jemand den Energiestecker gezogen.

Die Planungen für die neue Runde laufen

„Wenn man mit zwei Stürmern spielt, dann brauchst du dahinter Arbeiter“, wirbt Tayfun Korkut um Verständnis für die Spielweise des VfB: „Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir immer sehr diszipliniert spielen“, sagt der Trainer – und ergänzt: „Wir sind acht Spiele unbesiegt. Die Mannschaft hat also schon einiges abgerufen in den vergangenen Wochen.“

Doch mit Blick auf den Tabellenstand darf der Blick nun ruhig etwas weiter nach vorne gehen als gewohnt: Da der Klassenverbleib gesichert ist und im Club bei vier Punkten Rückstand auf den Siebten aus Hoffenheim niemand zum Marsch auf Europa bläst, kann man frühzeitig in die konkreten Planungen für die nächste Saison einsteigen.

Hier gilt es für den Manager Reschke, mit seinen Transfers in der Sommerpause das fußballerische Element zu beleben. Immerhin wurde selbst gegen ein moralisch angeschlagenes Team wie das Liga-Schlusslicht aus Hamburg deutlich, dass sich der VfB sehr schwertut, das Spiel zu machen. Dies wurde vom VfB als Aufsteiger in der laufenden Erstligasaison auch nicht allzu häufig verlangt. Doch mit dem Erfolg wachsen die Ansprüche. Und klar ist: Will sich der Verein wieder dauerhaft in der oberen Tabellenhälfte etablieren, muss fußballerisch mehr kommen.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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