Kurz vor dem Besuch von Papst Franziskus in der Türkei provoziert Präsident Erdogan mit scharfen Aussagen über den Westen: "Sie scheinen vordergründig unsere Freunde zu sein, aber freuen sich über unseren Tod und über den Tod unserer Kinder."

Rom/Istanbul - Wenige Stunden vor Beginn des Papst-Besuches in der Türkei hat Gastgeber Recep Tayyip Erdogan mit scharfen verbalen Attacken gegen den Westen international Irritationen ausgelöst. Die Fremden hätten es nur auf die Reichtümer der Muslime abgesehen, sagte Erdogan bei einer Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul.

 

„Die, die von außen kommen, mögen Öl, Gold, Diamanten, billige Arbeitskräfte sowie Gewalt und Streit“, sagte der Präsident. „Sie scheinen vordergründig unsere Freunde zu sein, aber freuen sich über unseren Tod und über den Tod unserer Kinder.“ Papst Franziskus, der mit den verbalen Angriffen wohl nicht gemeint war, wollte am Nachmittag mit Erdogan zusammentreffen.

Der türkische Präsident rief die Länder der Region zur Zusammenarbeit auf. „Wir müssen viel stärker zur internationalen Politik beitragen. Wir steuern schon viel zur Weltwirtschaft bei“, konstatierte Erdogan laut der Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Zugleich forderte er erneut eine Reform der Vereinten Nationen. Im UN-Sicherheitsrat drehe sich alles um die fünf ständigen Mitglieder. Die UN dürfe nicht vergessen, dass die Welt viel größer sei. „Wir müssen unsere Strategien überdenken. Es müssen Schritte unternommen werden, um die UN zu reformieren.“

Bemerkungen sorgen für Verwunderung

Erdogan war zuletzt mit Kommentaren zur angeblich untergeordneten Rolle der Frauen und mit der Behauptung aufgefallen, muslimische Seefahrer hätten vor Christoph Kolumbus Amerika entdeckt.

Der Papst startet seinen Besuch in der türkischen Hauptstadt Ankara - wo er nach seinem Treffen mit Erdogan auch mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu zusammenkommen will. Die Lage der Christen im Nahen Osten liegt dem Papst besonders am Herzen. Als erstes ausländisches Staatsoberhaupt wird der für seine Bescheidenheit bekannte Franziskus in dem „Ak Saray“ („Weißer Palast“) genannten Anwesen Erdogans empfangen, das rund 1000 Zimmer, Bunker und Schutzräume haben und 500 Millionen Dollar (400 Millionen Euro) gekostet haben soll.

Papst will Lage der Christen besprechen

Zu den Themen der sechsten Auslandsreise des Papstes gehören die Situation der christlichen Minderheit in dem muslimisch geprägten Land, die Lage im Nahen Osten und der interreligiöse Dialog. Dabei dürfte es auch um die Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak und die Situation von Christen und anderen Minderheiten gehen, die vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geflohen sind.

Entgegen vieler Erwartungen fehlt auf dem offiziellen Reiseprogramm des Papstes jedoch eine Begegnung mit syrischen Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden in der Türkei Zuflucht gesucht haben. Dies sei nicht geplant - aber natürlich könnten bei einigen Gelegenheiten in Istanbul auch Flüchtlinge anwesend sein, betonte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi.

Neben der großen islamischen Mehrheit leben nur knapp 100.000 Christen in der Türkei. Christen und andere Minderheiten können ihre Religion zwar grundsätzlich ausüben, sie leiden aber unter Einschränkungen, wie auch der aktuelle EU-Fortschrittsbericht bemängelt. So darf etwa die orthodoxe Kirche keine Priester in der Türkei ausbilden.

Am Samstag reist der 77-jährige Pontifex weiter nach Istanbul, wo allein 7000 Polizisten zu seiner Sicherheit im Einsatz sein sollen. Anlass des Besuchs des katholischen Kirchenoberhaupts ist die Feier des orthodoxen Andreasfests mit Patriarch Bartholomäus am Sonntag.