Immer unverhohlener treten Ausländerfeinde in Deutschland auf. Sie zünden Flüchtlingsheime an, schüren Angst vor Zuwanderern. Nun schockt das Verhalten einer Menschenmenge in Bautzen.

Clausnitz/Bautzen - Nach den Protesten eines wütenden Mobs gegen Flüchtlinge in Clausnitz sorgt ein neuer fremdenfeindlicher Vorfall in Sachsen bundesweit für Entsetzen. In Bautzen quittierten alkoholisierte Gaffer in der Nacht zum Sonntag einen vermutlich vorsätzlich gelegten Brand in einem noch unbewohnten Flüchtlingsheim mit Beifall und abfälligen Bemerkungen. Zudem behinderten sie laut Polizei die Feuerwehr bei ihren Löscharbeiten.

 

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) twitterte: „Wer unverhohlen Beifall klatscht, wenn Häuser brennen, und wer Flüchtlinge zu Tode ängstigt, handelt abscheulich und widerlich.“ Ähnlich äußerte sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). „Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Gaffer behindern die Löscharbeiten

In Bautzen beobachteten laut Polizei schätzungsweise 20 bis 30 Menschen das Feuer in einem früheren Hotel, das zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut wird. Teilweise seien die Gaffer angetrunken gewesen und hätten „abfällige Bemerkungen“ gemacht oder „unverhohlene Freude“ gezeigt, berichtete ein Polizeisprecher. Verletzt wurde bei dem Feuer niemand, die Polizei ging am Sonntag von Brandstiftung aus, ermittelte aber auch in andere Richtungen.

Drei Gaffer behinderten die Löscharbeiten, Details dazu nannte die Polizei nicht. Sie nahm zwei 20-Jährige vorläufig in Gewahrsam, weil sie sich Platzverweisen widersetzten. Es sei „unerträglich, wie offen und respektlos der Hass auf Ausländer zur Schau getragen wird“, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) der dpa.

Im Fall Clausnitz steht auch die Polizei in der Kritik. Dort hatten etwa 100 Menschen am Donnerstag versucht, die Ankunft eines Busses mit Bewohnern einer neuen Asylbewerberunterkunft zu verhindern. Dabei grölten sie „Wir sind das Volk“. Später zerrten Polizisten einzelne Flüchtlinge unter Zwang aus dem Bus - auf einem Videoclip im Internet sind verängstigte Flüchtlinge in dem Fahrzeug zu sehen, ein Polizist zieht einen Jungen mit Gewalt heraus.

Oppermann spricht von „Polizeiversagen“

Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen am Samstag als „absolut notwendig“ und „verhältnismäßig“, sie habe die Menschen aus dem Bus in das Gebäude in Sicherheit bringen wollen. Der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann räumte ein, dass zunächst nicht genug Beamte vor Ort waren, gab aber auch den Flüchtlingen eine Mitschuld an der Eskalation.

Sie hätten aus dem Bus heraus gefilmt und mit Gesten wie dem Stinkefinger provoziert. Daher schloss er - neben strafrechtlichem Vorgehen gegen Demonstranten - auch Ermittlungen gegen Flüchtlinge nicht aus.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach von „Polizeiversagen“: „Die Videoaufnahmen über die Maßnahmen von einzelnen Polizisten sind höchst irritierend“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Aufgabe der Polizei sei es, Flüchtlinge vor „diesem widerlichen Mob“ zu schützen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte: „Verstört. Polizeiversagen ist ein Problem. Es nicht zu benennen ist eine Katastrophe.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält den Einsatz, der Dutzende Menschen inzwischen zu Anzeigen bewog, für alternativlos. Es habe Gefahr für Leib und Leben der Flüchtlinge bestanden, sagte der Vorsitzende Rainer Wendt der „Huffington Post“.

Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge

In Clausnitz versammelten sich am Samstagabend rund 100 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge. Auf Transparenten forderten sie eine sichere und menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Laut Polizei verlief die Demonstration friedlich.

Die etwa 20 Flüchtlinge wollten den Bus am Donnerstag augenscheinlich aus Angst vor den Protesten und der chaotischen Situation zunächst nicht verlassen. Sie berichteten am Samstag, dass die Polizei auch einer Frau die Arme auf den Rücken gedreht und sie zwangsweise aus dem Bus geholt habe.

Der Junge aus dem Internetvideo ist nach eigenen Angaben 14 Jahre alt und stammt aus Tripoli im Libanon. Er ist mit seinem Bruder und seinem Vater seit drei Monaten in Deutschland und war zunächst in Dresden untergebracht, wie er der dpa sagte. Der Bruder ist auf dem Video zu sehen, wie er freiwillig, aber weinend den Bus verlässt. Die Grünen wollen zu den Vorfällen eine Aktuelle Stunde im Bundestag.