In einer Asylunterkunft in Großheppach waren Ende September 2019 zwei Männer aneinandergeraten – dabei war ein Messer im Spiel. Angeklagter und Opfer schildern sehr unterschiedliche Sichtweisen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Weinstadt/Stuttgart - Die Anklage klingt dramatisch: Am 30. September 2019 soll in einer Asylbewerberunterkunft in Weinstadt-Großheppach ein heute 22-Jähriger versucht haben, einen gleichaltrigen Mitbewohner umzubringen. Deswegen steht er seit Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, mit einem Taschenmesser „in die Nacken- und Halsregion“ seines Opfers gestochen zu haben. Letzteres konnte die Stiche mit einer Hand abwehren. Der 22 Jahre alte Nigerianer hatte ausgesagt, sein Kontrahent sei in sein Zimmer gekommen und habe nach Zigaretten gefragt. Als er verneint habe, sei dieser kurz gegangen – und habe dann unvermittelt angegriffen.

 

Ganz anders hörte sich die Version an, die der 22-jährige Somalier vortrug. Er sagte, sein Kontrahent habe ihm bis vor einiger Zeit immer wieder Marihuana verkauft. Irgendwann sei er aber mit der Ware nicht mehr zufrieden gewesen und auf einen anderen Dealer umgestiegen. Danach habe ihn der gleichaltrige Mitbewohner immer wieder drangsaliert, bedroht und beraubt. Das führte auch zu einem Polizeieinsatz: Einige Wochen vor dem Vorfall mit dem Messer hatte der Nigerianer offenbar Geld, das Handy und traditionelle somalische Kleidung von dem Angeklagten gestohlen. Die Polizei fand das Handy im Zimmer des Nigerianers – der Rest blieb verschwunden. „Die Kleidung gehört meiner Verlobten, sie ist mir sehr wichtig“, erklärte der Angeklagte.

Der Angeklagte hat an jenem Mittag 3,5 Promille Alkohol intus

Zu dem handfesten Streit sei es gekommen, weil der Nigerianer ihm rund 200 Euro weggenommen habe. Er sei sehr betrunken gewesen und dem Kontrahenten hinterher gegangen – mit dem Taschenmesser in der Hand. „Ich habe gesagt, gib mir mein Geld wieder“, schilderte der 22-Jährige. Weil sein Gegner die Geldscheine mit seiner Hand umklammert gehalten habe, habe er ihm mit dem Messer in die Hand geschnitten. Danach ging er in sein Zimmer zurück, wo die Polizei kurze Zeit darauf die schlecht versteckte Tatwaffe fand. Dem Opfer musste eine Sehne genäht werden – da der Nigerianer sich aber gegen den Rat der Ärzte selbst aus dem Krankenhaus entließ, ist die Verletzung nur schlecht verheilt.

Zu klären ist auch die Frage nach der Schuldfähigkeit des Somaliers. Immerhin, das hatten Tests nach dem Vorfall ergeben, muss er zur Tatzeit bis zu 3,5 Promille Alkohol im Blut gehabt haben. „Bis man dahin kommt, muss man vorher schon mal geübt haben“, meinte die psychiatrische Sachverständige. Sie konnte nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit des Mannes durch den Alkohol und den Marihuanakonsum zumindest eingeschränkt worden war. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.