In Deutschland stöhnen kleine und mittlere Unternehmen unter den neuen Regulierungen aus Brüssel. Die Politik signalisiert Unterstützung.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Für Rainer Kirchdörfer ist die Belastungsgrenze erreicht. „Über Familienunternehmen geht eine Riesenwelle bürokratischer Anforderungen nieder“, nimmt der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik die neuen EU-Vorgaben aufs Korn. Allein die geplanten Vorschriften aus Brüssel für die sogenannte Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen „umfasst mehr als 2000 einzelne Berichtspflichten“, kritisiert Kirchdörfer. Hinzu kämen Anforderungen wie etwa das EU-Lieferkettengesetz. Sein Fazit: „Die Unternehmen wollen die ökologischen Herausforderungen mit Innovationen bewältigen, mit einer überbordenden Regulierung schaffen sie das nicht.“

 

Mit diesem Eindruck ist Rainer Kirchdörfer nicht allein, und er beschreibt ein fast schon EU-typisches Problem. Beim sogenannten Green Deal wird in Brüssel im sehr großen Maßstab gedacht. Die gesamte Wirtschaft des Kontinents soll nachhaltig umgebaut werden, es geht um Milliardensummen und einen Zeitrahmen von vielen Jahren. Im Rahmen dieser Planung entsteht ein Berg von neuen Gesetzen, die drohen vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen zum Problem zu werden.

Hoffmeister-Kraut spricht von einer Art Kaskadeneffekt

In Brüssel vorstellig wird aus diesem Grund auch immer wieder Nicole Hoffmeister-Kraut. Die Wirtschaftsministerin aus Baden-Württemberg hat sich inzwischen einen gewissen Ruf als Verteidigerin des Mittelstands erworben. Sie monierte bei ihrem jüngsten Besuch in Brüssel, dass viele Unternehmen „wesentlich stärker von der Bürokratie betroffen sind als von der EU geplant“. Zwar seien zahlreiche der kleineren Firmen ausdrücklich von vielen Regelungen ausgenommen, doch habe sich eine Art „Kaskadeneffekt“ eingestellt. Das bedeutet, dass etwa Großunternehmen Berichtspflichten an die kleinen Zuliefererfirmen weitergeben. Die Vertreter des Mittelstands betonen auch, dass sie im Moment nicht nur wegen des klimaneutralen Umbaus im Rahmen des Green Deals vor großen Herausforderungen stünden. Durch die aktuellen Krisen komme es zu Lieferengpässen und hohen Energiepreisen, mit denen zu kämpfen sei. Kirchdörfer fordert: „Angesichts der drohenden Rezession brauchen wir einen Belastungsstopp auf EU-Ebene.“

„Belastungsstopp auf EU-Ebene“

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin spricht in diesem Fall etwas abgemildert von einer „Atempause bei der Regulierung“. Als Beispiel nennt Nicole Hoffmeister-Kraut das europäische Lieferkettengesetz, mit dem erstmals etwa die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in der Herstellung eines Produkts geregelt ist. Sie bezweifle, dass „dieses im momentanen Wettbewerb um Rohstoffe einen Mehrwert für den globalen Umweltschutz bringt“.

Doch stößt die Ministerin in Brüssel mit dieser Forderung auch auf Kritik. Michael Bloss, Europaabgeordneter der Grünen, plädiert dafür, in Sachen „Green Deal Kurs zu halten“ und nicht zu beginnen, die Ziele aufzuweichen.