Die USA haben den umstrittenen Filesharing-Dienst Megaupload geschlossen. Die Frage bleibt aber, ob sich die Behörden dauerhaft durchsetzen können.    

New York  - Die USA haben mit der Schließung des umstrittenen Filesharing-Dienstes Megaupload ein Zeichen gegen fortwährende Urheberrechtsverletzungen im Internet gesetzt. Aktivisten sehen darin den Beginn umfangreicher Sperrmaßnahmen, die sich auch auf legale Inhalte erstrecken können. Ähnlich wie auf der von deutschen Behörden im letzten Sommer geschlossenen Website kino.to waren auf Megaupload urheberrechtlich geschützte Filme, Fernsehserien sowie Musik- und E-Book-Dateien erhältlich. Die Website zählte nach eigenen Angaben täglich mehr als eine Milliarde Besuche und über 150 Millionen registrierte Nutzer. Finanziert wurde sie mit Werbung und kostenpflichtigen Premium-Accounts.

 

Die Betreiber haben die Vorwürfe bisher zurückgewiesen – mit einem Verweis auf ein Formular, über das Rechteinhaber Verstöße melden und die entsprechenden Dateien sperren lassen könnten. Gleichwohl soll das Geschäftsmodell das Hochladen populärer Inhalte unterstützt haben: Dateien, die nicht regelmäßig heruntergeladen wurden, wurden gelöscht. Für das Hochladen populärer Inhalte wurden Nutzer hingegen finanziell belohnt. Die US-Justiz ermittelt nun gegen die Unternehmen Megaupload Limited und Vestor Limited sowie sieben Personen wegen Online-Piraterie. Ihnen drohen zwischen fünf und 20 Jahren Haft.

Drei Deutsche und ein Niederländer wurden auf Veranlassung der US-Behörden in Neuseeland bereits verhaftet, darunter der Deutsche Kim Schmitz, der in den 90er Jahren als Hacker Kimble auffiel und am Ende der New Economy wegen Insiderhandels verurteilt wurde. In den vergangenen Jahren trat er unter den Namen Kim Dotcom und Kim Tim Jim Vestor auf, wobei er angeblich als Geschäftsführer von Megaupload fungierte. Megaupload soll, so der Vorwurf der amerikanischen Strafverfolger, mehr als 175 Millionen Dollar illegalen Gewinn gemacht haben und dabei bei den Rechteinhabern einen Schaden von mehr als 500 Millionen Dollar verursacht haben.

Können sich die Behörden dauerhaft durchsetzen?

Erst am Mittwoch hatten zahlreiche Betreiber von großen Websites wie etwa die Wikipedia gegen Gesetzespläne in den USA protestiert, die eine schnellere Sperrung von Internetseiten erlauben sollen. In diesem Zusammenhang wurde nun auch die Schließung von Megaupload im Netz wahrgenommen. Mitglieder des informellen Anonymous-Netzwerks attackierten die Websites der Bundespolizei FBI, des US-Justizministeriums und der Musikindustrie mit Denial-of-Service-Angriffen. Dabei werden die Seiten mit speziellen Programmen in sehr rascher Reihenfolge abgerufen, bis sie unter der Last der Datenanfragen zusammenbrechen. Einige der angegriffenen Websites waren Donnerstagnacht für mehrere Stunden nicht erreichbar. Über den Online-Dienst Twitter ließ Anonymous verlauten, dass man mittlerweile mehr als 9000 Unterstützer für die Angriffe habe finden können.

Die Angriffe scheinen sich auf die Musikindustrie zu konzentrieren. So waren die Websites der Musikindustrie-Lobby RIAA und von Universal Music auch am Freitag noch nicht erreichbar. Die RIAA hatte in ihrer Erklärung sich „zutiefst dankbar“ dafür gezeigt, dass die US-Behörden zwei Jahre lang die Zerschlagung von Megaupload vorbereitet hätten. Sie haben dabei mit zahlreichen weiteren Strafverfolgungsbehörden kooperiert, unter anderem der Staatsanwaltschaft Frankfurt im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens.

Die Frage ist nun, ob sich die Behörden dauerhaft durchsetzen können. Nach der Schließung von kino.to, wurde binnen weniger Stunden ein anderer Anbieter gestartet, der noch immer online ist. Auch stellt sich die Frage, ob die Behörden nun wieder gegen andere große Filesharing-Plattformen vorgehen werden.

Murdoch: Google ist der "Anführer der Piraterie"

Dabei verfügt das Internet über unendlich viele weitere Möglichkeiten, digitale Kopien zu verbreiten. Google etwa bietet registrierten Nutzern des Googledocs-Dienstes an, beliebig viele Dateien jeglichen Formats hochzuladen und mit anderen Nutzern zu teilen. Auch auf Youtube, das zum Konzern Google gehört, finden sich immer wieder urheberrechtlich umstrittene Videos.

Für den Medien-Tycoon Rupert Murdoch steht fest, dass Google der „Anführer der Piraterie“ sei: „Sie streamen kostenlos Filme und verkaufen dazu Werbung. Kein Wunder, dass sie Millionen in die Lobbyarbeit investieren.“ Doch ob die US-Behörden gegen den Google-Dienst ähnlich rabiat vorgehen werden wie gegen Megaupload ist unwahrscheinlich. Youtube hat der Musikindustrie bereits weitreichende Sperrmöglichkeiten eingeräumt, die diese sogar selbst verwalten kann.

Ungelöst ist auch die Frage des digitalen Kollateralschadens einer Komplettsperre, wie sie nun die US-Behörden vorgenommen haben. Denn Megaupload wurde anders als kino.to auch von vielen Menschen für den persönlichen, legalen Datenaustausch genutzt. Das Palo Alto Research Center etwa stellte in einer Analyse fest, dass Megaupload zu einem beträchtlichen Anteil von Unternehmen genutzt wurden.

Wikipedia befürchtet lückenlose Überwachung

Die legalen Nutzer beschweren sich nun darüber, dass ihre Forschungsdaten, Arbeitsdokumente und persönlichen Videos, die sie mit anderen Nutzern teilen wollten, nicht mehr verfügbar sind. Ein Nutzer namens Ernesto appelliert jetzt über das Torrent-Freak-Blog an die Behörden, seine persönlichen Daten an ihn zurückzugeben und fragt: „Was passiert nun mit den persönlichen, legalen Dateien?“ Dabei zitiert er zahlreiche Twitter-Nachrichten von anderen Megaupload-Nutzern, denen es ähnlich geht wie ihm.

Dass die Sperren künftiger noch drastischer ausfallen werden, befürchten all diejenigen, die am Mittwoch gegen das Gesetzesvorhaben Stop Online Privacy Act (kurz SOPA) protestiert haben, das der US-Senat und das Repräsentantenhaus zurzeit beraten. Es will Internet-Provider dazu verpflichten, ihren Kunden den Zugang zu bestimmten Seiten zu verwehren.

Wenn ein Angebot als illegal eingestuft wurde, darf niemand mehr Geschäfte mit dem Anbieter machen. Sowohl Zahlungsanbieter, Werbetreibende wie auch Suchmaschinen sollen dann haftbar gemacht werden. Unklar ist jedoch noch, wie es zu einer solchen Einstufung kommen soll, da das Gesetz keine klaren Vorgaben enthält. Gerade  Wikipedia befürchtet, dass sie künftig sämtliche Seiten überwachen müsste, um Links zu illegalen Seiten zu verhindern. Sie sieht damit die Verbreitung des freien Wissens in Gefahr und schaltete ihre Website am Mittwoch aus Protest schwarz.