Martialisches Auftreten wird in der Wählergunst belohnt. Hinter den Kulissen reißt das politische Dauergespräch trotzdem nicht ab. Für die Zeit nach der Wahl verheißt der Umgang nichts Gutes.

Von nun an wird geholzt. An diesem Wochenende wurde die Tonalität für den kommenden Winter-Wahlkampf festgelegt. Der Trend lautet: verbale Kraftmeierei. Die frisch angerührte Mischung aus Entschiedenheit, männlichem Überlegenheitsanspruch und Populismus kommt Old-Fashion-Politikern wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU) und Christian Lindner (FDP) entgegen. Behutsame wie Robert Habeck (Grüne) dagegen werden noch lange auf das Kanzleramt warten müssen – oder sich anpassen.

 

Hinter den Kulissen ist das politische Dauergespräch trotz des Koalitionsbruchs nicht abgerissen. Klar, man simse noch mit Lindner, sagen Grüne und sozialdemokratische Spitzenpolitiker. Selbstverständlich werde man nach der Wahl Sondierungs- und Koalitionsgespräche in alle Richtungen führen, je nachdem, welche Konstellationen möglich sind. Da werde man doch nicht jetzt die Brücken sprengen, egal, wie scharf die Auseinandersetzung über die Schuldigen am Ampelscheitern im Augenblick erscheint.

Nach außen wird die klare Kante geübt

Doch zunächst und nach außen wird die klare Kante geübt. Denn das zahlt sich bei den Wählerinnen und Wählern aus. Olaf Scholz beispielsweise lud martialisch zur „Wahlsieg-Konferenz“ ein, warf dem FDP-Vorsitzenden Lindner lautstark fortgesetzte „Sabotage“ vor, und schon bewegten sich seine persönlichen Umfragewerte nach oben. Defensive dagegen schadet. Friedrich Merz dementierte, ein Kriegs- und Sozialabbau-Kanzler zu werden und büßte im direkten Vergleich mit Olaf Scholz prompt an Vorsprung ein.

Wer in diesen Wochen gehört werden will, muss laut werden. Er muss sich dem Ton der anderen anpassen. „Wahlkämpfe verändern etwas in der Wahrnehmung von Parteien“, analysiert der Politikwissenschaftler Karl Rudolf Korte. Deshalb wird der Ton der Grünen, der am Küchentisch freundlich, und in der Botschaft philosophisch ist, zum Problem: Er wärmt die Herzen am eigenen Lagerfeuer, doch darüber hinaus kann Kanzlerkandidat Robert Habeck kaum mobilisieren.

Es geht nicht nur darum, eigene Parteigänger zu mobilisieren

Denn es geht nicht nur darum, die eigenen Parteigänger zu mobilisieren, damit sie im Winter zum Straßenwahlkampf ausrücken. Auch den potenziellen Koalitionspartnern wird jetzt signalisiert, wie man künftig miteinander umzugehen gedenkt. Sollten die Liberalen wider Erwarten in Koalitionsverhandlungen einbezogen werden, wird es keine Neuauflage der Koch-und-Kellner-Debatte, die Olaf Scholz offenbar in den vergangenen drei Jahren bis zum Rand des Nervenzusammenbruchs mit den Liberalen geführt hat, geben.

Werden Scholz oder Merz Kanzler, sind sie die Köche. Einen netten, farblosen Kanzler, der die Koalitionspartner in merkelhaftem Stil zusammenhält? Den wird es nicht mehr geben. Genauso wenig, wie ein Kanzler Merz dem möglichen Koalitionspartner Christian Lindner wie ein gütiger Onkel gestatten würde, „mehr Milei“ zu wagen, was der Liberale am Wochenende verlangte.

Für die künftige Regierung bedeutet das nichts Gutes

Aus dem Schicksal der Ampelkoalition haben zwei der drei potenziellen Kanzler den Schluss gezogen, dass sich zu große Kooperationsbereitschaft des größeren Partners nicht auszahlt. Für die künftige Regierung bedeutet das nichts Gutes. Denn jenseits der Wahlkampfrhetorik muss eine neue Bundesregierung schnell zustandekommen, zügig verhandeln und umgehend handlungsfähig werden. Sie muss sich auf eine Agenda 2030 verständigen, außenpolitisch sprechfähig werden, und überlegen, wie man mit den Wahlversprechen in der Sozialpolitik fertig werden kann. Das wird viel Energie kosten. Für innerkoalitionäre Selbstfindungsprozesse bleibt da nicht viel übrig.

Selten war die Schauseite der Politik so weit entfernt von den Vorbereitungen für die Zeit nach der Wahl.