Die Europäische Union wird den Klageweg bestreiten – und die Auflagen wohl noch verschärfen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der schwarz-gelbe Streit über die Vorratsdatenspeicherung nimmt eine neue Wendung. Vor dem Innenausschuss des Bundestags hat der zuständige EU-Direktor für innere Sicherheit, Reinhard Priebe, dem Vernehmen nach angekündigt, noch im Mai eine Klage einzureichen. Deutschland drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe, weil die EU-Richtlinie zur Speicherung von Telefon- und Internetdaten nicht umgesetzt worden sind. Dafür ist die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zuständig. Sie weigert sich, den Anforderungen aus Brüssel nachzukommen.

 

Informationen, wonach die EU vorerst auf Sanktionen verzichten wolle und die Vorratsdatenspeicherung bis zur Wahl 2013 vom Tisch sei, wurden am Freitag aus Unionskreisen als „glatte Lüge“ bezeichnet. Die EU-Kommission werde allerdings nur ein Zwangsgeld und keinen deutlich größeren Pauschalbetrag beantragen, hieß es. Deutschland müsste bei einer Verurteilung vor dem Europäischen Gerichtshof also nur vom Tag des Urteils an bis zu einem neuen Gesetz zahlen. Handelt der Bundestag rasch, wären dies nur etwa vier Wochen.

EU: deutsches Konzept ist inakzeptabel

Ungeachtet möglicher Strafen beharrt die Union darauf, die EU-Vorgaben rasch umzusetzen. „Spätestens wenn die Klage erhoben wird, kann Deutschland sich einen Vertragsbruch nicht länger leisten“, sagt der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl. Die Justizministerin hat bisher stets darauf verwiesen, dass die umstrittene EU-Richtlinie ohnehin neu gefasst werden soll. EU-Direktor Priebe hat nach Darstellung der Union aber klargestellt, dass die Speicherrichtlinie „in ihrem Kern nicht verändert“ werde. „Die Verpflichtung, anlasslos Daten zu speichern, wird sicher nicht entfallen“, sagt der CDU-Innenexperte Clemens Binninger. Zudem sei damit zu rechnen, dass die Mindestspeicherfrist eher noch verlängert werde. Bisher sollten die heiklen Daten laut Vorgabe aus Brüssel zwischen sechs Monaten und zwei Jahren gespeichert werden. In dem vom Bundesverfassungsgericht gekippten Gesetz waren sechs Monate vorgesehen. Binninger erwartet aber, dass die Minimalfrist auf ein Jahr angehoben wird.

Für die liberale Justizministerin wäre dies noch schwerer zu akzeptieren als die bisher maßgeblichen Vorschriften. Ihr eigenes Konzept habe EU-Direktor Priebe als nicht akzeptabel bezeichnet. Es erfülle die Ansprüche der Richtlinie allenfalls zu fünf Prozent. Leutheusser-Schnarrenbergers Modell sei untauglich und werde keine Mehrheit in Europa finden, sagt Uhl. Dessen Schlussfolgerung lautet: „Wir können in Deutschland mit der Umsetzung der Richtlinie nicht darauf warten, bis wir vom Europäischen Gerichtshof verurteilt werden. Das wäre weder rechtlich noch politisch verantwortbar.“