Der Anfang des neuen Tatorts aus Wien ist spannend, zugegeben – aber allzu schnell driftet „Gier“ leider in seichtes Gewässer ab. Und dann fehlen auch noch die eigentlich schon lieb gewonnenen Frotzeleien zwischen Eisner und Fellner weitgehend.

Stuttgart - Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das stellt der neue Wiener Tatort „Gier“ (Sonntag, 7. Juni 2015, um 20.15 Uhr in der ARD und der ARD-Mediathek) eindrucksvoll unter Beweis. Denn was wie ein spannender Fall rund um die durchaus krimitauglichen Machenschaften in der Textilbranche beginnt, verliert sich am Ende in einem Motiv-Knäuel aus Rache, Gier und Wahn, das selbst die Kommissare Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) nicht zu einem spannenden Krimi zusammenstricken können.

 

Doch zunächst kommt erstmal Roswitha Mader (Emily Cox) unter grausigen Qualen bei einem Unfall in einem Chemiewerk ums Leben. Aus einem defekten Ventil tropft Flusssäure auf ihre Schulter. Binnen weniger Sekunden ist die Haut verätzt, im Krankenhaus geht sie erbärmlich an Organversagen zu Grunde. Und: Roswitha war in der zehnten Woche schwanger.

Ihr Ehemann Helmut (Eugen Knecht) ist denn auch entsprechend mit den Nerven am Ende und geht auf Roswithas Chef Paul Mitteregger (Gerald Votava) los. Eisner und Fellner, die wegen der familiären Bande des Opfers zu ihrem Boss Ernst Rauter (Hubert Kramar) den Fall übernehmen müssen, können eine Eskalation vor der versammelten Presse gerade noch verhindern.

Fehlerhafte Schutzanzüge

Bei ihren Ermittlungen decken sie Ungereimtheiten in der Firma Patronatex auf. Von dort stammen die Schutzanzüge, die die Arbeiter des Chemiewerks tragen – so auch Roswitha. Ihr vermeintlicher Schutzanzug allerdings ließ die Flusssäure durch wie ein Sieb.

Klingt wie der Beginn eines veritablen Wirtschaftskrimis – ist es aber leider nicht. Stattdessen holt Regisseur Robert Dornhelm nun auch noch den maroden Wendler-Konzern (der leider nichts mit dem Ex-Dschungelcamper zu tun hat, sonst hätte es vielleicht wenigstens ein paar Kakerlaken geregnet), dessen psychopatischen Inhaber, seine mindestens genauso gestörte Frau, ihren neugierigen Gärtner, ihren Liebhaber mit dem schlechten Gewissen sowie dessen pflichtbewusste Sekretärin hervor. Los geht das lustige, eher seichte Gewurschtel – und an das ursprüngliche Opfer denkt über weite Strecken des Films niemand mehr.

Und dann wurden die in den vergangenen Folgen so liebgewonnenen Frotzeleien zwischen Eisner und Fellner auch noch weggekürzt, genau wie der erst in der letzten Folge eingeführte klamaukige Assistent. Ach Mensch, Wien, wir hatten auf mehr gehofft.

Der Tatort „Gier“ im Kurzcheck

Schönste Krimifloskel: „Ich habe Viktor nicht getötet, ich habe ihn geliebt!“, kreischt die nahe am psychischen Abgrund balancierende Sabrina Wendler (Maria Köstlinger) – aber das sagen sie ja alle.

Heimliche Stilikone: Außen wie innen berechnend und geradlinig – so könnte man Sabrina Wendler beschreiben. Und ihr Garten, bei dem kein Grashalm aus der Reihe tanzt, spiegelt das ziemlich gut wider.

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Wie eigentlich in fast jedem Tatort – danach kann man wirklich die Uhr stellen – hat der Zuschauer nach rund einer Stunde Sendezeit das erste Mal das Gefühl, den Hintergründen auf die Spur zu kommen.