Eine Frauenleiche, ein gehörnter Ehemann, ein Geliebter, der flüchtig ist – anfangs wirkt der Schweizer Tatort „Verfolgt“ wie ein konventionelles Eifersuchtsdrama. Doch wer versucht sein sollte, wegzuzappen, begeht einen Fehler.
Stuttgart - Eine Frauenleiche, ein gehörnter Ehemann, ein Geliebter, der flüchtig ist: anfangs sieht „Verfolgt“ (Sonntag, 7. September, 20.15 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek), der siebte „Tatort“ aus der Schweiz, nach einem konventionellen Eifersuchtsdrama aus. Wer versucht sein sollte, wegzuzappen, begeht einen Fehler. Denn aus der abgegriffenen Konstellation entwickelt sich ein packender Politthriller.
Im Zentrum steht der Geliebte der Toten, Thomas Behrens (Alexander Beyer), IT-Manager bei einer Schweizer Privatbank – und im Besitz von Kontodaten von deutschen Steuersündern, die mit Hilfe des eidgenössischen Kreditinstituts ihre Milliarden auf den Cayman Islands gewinnbringend parken. Leitmotivisch untermalt von treibenden Elektro-Klängen (Musik: Fabian Römer), die sofort an den aktuellen Werbespot einer deutschen Bank denken lassen, hetzt er durch Luzern: Weil er die Bankdaten an die deutschen Steuerbehörden verkaufen will, sieht er sich verfolgt und in Todesgefahr. Wahn oder Wirklichkeit? In seiner Verzweiflung stellt sich Behrens schließlich freiwillig der Polizei, die nach ihm gefahndet hat, weil sie ihn verdächtigt, seine Geliebte getötet zu haben.
Eine Aufwertung des Schweizer Tatorts
Wie Tobias Ineichen (Regie) und Martin Maurer (Buch) das brisante, aber abstrakte Polit-Thema Steuerflucht/Schweizer Bankgeheimnis zu einem atmosphärischen Paranoia-Krimi verarbeiten, ist sehenswert und wertet das Image des bislang nicht allzu populären Schweizer „Tatorts“ auf. Flückiger und seine Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer) geben alles, um ein unheilvolles Bündnis von Bankern und Politikern zu entlarven; die Verzweiflung, die sie am Ende über das, was Recht und Gesetz ist, übermächtigt, ist absolut gerechtfertigt.
Schönste Krimifloskel: „Hören Sie doch auf mit diesem Wiki-Liki-Scheiß!“ herrscht der Kommissar den Verdächtigen Thomas Behrens in der Verhörzelle an, der sich als „Whistleblower“ verfolgt sieht. In dieser Folge kann Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser) nicht nur einmal seine Wut über die Verhältnisse rauskotzen – das steht dem attraktiven Schweizer verdammt gut.
Heimliche Stilikone: der Drei-Tages-Bart des Kommissars als Ausdruck seines Frusts, gepaart mit seinen dunkelbraunen Augen, die er an der spannendsten Stelle des Krimis entsetzt aufreißen muss.
Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Nur wenige Minuten vor Schluss stellt sich heraus, wer wirklich hinter den Finanzschiebereien steckt – der Skandal ist perfekt. Oder nicht?