Weniger Alkohol und Zigaretten, mehr Bewegung: Hausärzte könnten ihre Patienten zu einem gesünderen Leben motivieren, tun es aber meist nicht.  

Stuttgart - Vorbeugen ist besser als heilen: Der Satz ist eine Binsenweisheit, doch in Baden-Württembergs hausärztlichen Praxen wird er bei Herz-Kreislauf-Patienten offenbar zu selten angewendet. Dabei sind Herz-Kreislauf-Krankheiten in Deutschland die Todesursache Nummer eins, und dass Rauchen, Alkohol und fettes Essen, wenig Bewegung und viel Stress die Hauptschuld an dem Volksleiden tragen, dürfte sich herumgesprochen haben.

 

Jeder zweite Krankheits- und Todesfall aufgrund einer kardiovaskulären Erkrankung ließe sich durch bestmögliche Änderung des Lebensstils vermeiden, sagen Experten. Die Lebensstiländerung steht deshalb auch in der ärztlichen Leitlinie "Risikoadjustierte Prävention von Herz- und Kreislauferkrankungen" an erster Stelle des gestuften Vorgehens. Allein durch das Aufgeben des Rauchens werde das Risiko halbiert. Doch Forscher der Universitäten Mannheim und Heidelberg haben in einer Umfrage unter baden-württembergischen Hausärzten ermittelt, dass nur selten beraten wird. Sie werteten dazu Fragebögen von 260 Ärzten aus; 1740 weitere Mediziner waren zwar angeschrieben worden, hatten aber nicht geantwortet.

Risikofaktoren

Die Ärzte sollten angeben, inwieweit sie bei ihren neuen Patienten Risikofaktoren wie den Blutdruck bestimmen und ob sie ihre Patienten hinsichtlich des Lebensstils beraten. Dazu zählten Handlungsempfehlungen zu gesunder Ernährung, Sport und körperliche Aktivität, Tabakentwöhnung und höchstens mäßigen Alkoholkonsum. Gefragt wurde auch, inwiefern der Arzt mit dem Patienten konkrete Ziele vereinbart oder Informationsmaterial aushändigt.

Das Ergebnis: 95 Prozent der Mediziner sehen sich nicht nur in der Rolle des heilenden Arztes, sondern auch der des "Gesundheitsberaters". Allerdings finden es knapp drei Viertel der Befragten "schwierig, Patienten in Bezug auf Änderungen des Lebensstils gut zu beraten". Auch waren drei von zehn Ärzten nicht der Meinung, dass sie ihre Patienten erfolgreich zu einem gesünderen Lebensstil motivieren könnten.

So geben nur 23 Prozent der Ärzte einer Tabakentwöhnung eine Chance und 40 Prozent einer Verringerung des Alkoholkonsums. Immerhin 58 Prozent sind der Ansicht, dass sie Patienten in Ernährungsfragen erfolgreich beraten könnten, bei Bewegung und sportlicher Betätigung sind es sogar 63 Prozent. Ihren größten Wirkungsradius sehen die Ärzte freilich in Bereichen, in denen sie auch Medikamente verschreiben können: dem Management von Bluthochdruck, Diabetes und Cholesterinspiegel.

Unzureichende Vergütung und Zeitmangel

Ärztinnen beraten ihre Herz-Kreislauf-Patienten im Vergleich zu den männlichen Kollegen doppelt so häufig in Sachen Lebensstil. Als größtes Hindernis auf dem Weg zur guten Beratung haben die befragten Ärzte den mangelnden Patientenbezug angegeben, gefolgt von unzureichender Vergütung und Zeitmangel. Doch warum schaffen es Ärztinnen trotzdem eher, ihre Patienten zu beraten? Die Forscher haben eine Vermutung: "Nicht die Rahmenbedingungen von Praxis und Patienten, sondern vor allem die persönliche Überzeugung des Arztes standen im Zusammenhang mit Lebensstilberatung." Mit anderen Worten: Ärztinnen sind eher von der Bedeutung eines gesunden Lebensstils überzeugt als Ärzte. Zudem sei aus älteren Studien bekannt, schreiben die Wissenschaftler in der "Deutschen Medizinischen Wochenschrift", dass Ärztinnen generell "eine größere Beratungshäufigkeit zeigen".

Einschränkend erinnert das Autorenteam um Christina Huy von der Universität Mannheim aber auch daran, dass die Rücklaufquote der Fragebögen nur sehr gering war. Der Verdacht liege nahe, dass die Ergebnisse ein eher zu positives Bild zeichnen und das hausärztliche Angebot an Gesundheitsförderung und Vorsorge in Wirklichkeit noch geringer sei: Denn vermutlich hätten nur jene Ärzte geantwortet, die ohnehin schon eine Affinität zur Herz-Kreislauf-Vorsorge besaßen.