Mitglieder von Pro Bahn sehen die Unabhängigkeit des Fahrgastverbandes durch fremdfinanzierte Projekte gefährdet.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Der renommierte Verkehrsexperte Heiner Monheim hat sein Vorstandsamt beim Fahrgastverband Pro Bahn mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Hintergrund ist ein mit 340 000 Euro fremdfinanziertes Projekt, von dem seinen Angaben zufolge der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann profitieren soll. Kritiker in einigen Landesverbänden sehen dadurch die Unabhängigkeit des Verbands gefährdet und verlangen Transparenz. Naumann weist die Vorwürfe zurück.

 

Es gibt tiefe Meinungsverschiedenheiten in der Organisation. Grund dafür war die Absicht des langjährigen Vorsitzenden Naumann, 2012 als externer Berater für Sicherheitsfragen im öffentlichen Verkehr für die Deutsche Bahn (DB) tätig zu werden, also ausgerechnet zu dem Konzern zu wechseln, dessen Arbeit der Verband kritisch begleitet. Der beabsichtigte Wechsel löste auch öffentlich Erstaunen aus und scheiterte schließlich. Naumann kandidierte dann nicht mehr als Bundesvorsitzender. Am Wochenende eskalierte der Zwist zwischen seinen ihm weiter wohlgesinnten Nachfolgern bei Pro Bahn und den verbandsinternen Kritikern bei einer Sitzung des Bundesausschusses in Göttingen. Es geht um das mit 340 000 Euro dotierte Projekt „Sicherheit im Bahnverkehr“, das der Ehrenvorsitzende die nächsten drei Jahre betreuen soll. Naumann habe ihm gegenüber schriftlich zugegeben, dass das Projekt seiner finanziellen Absicherung dienen solle, kritisiert Monheim, der bisher dritter Vorsitzender von Pro Bahn war.

Solch eine Konstruktion habe „mehr als ein Geschmäckle“, damit werde Pro Bahn angreifbar, sagte Monheim auf der Sitzung laut seinem Redeprotokoll, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Der Verband brauche eine „zweifelsfrei kritische Distanz zur Bahnpolitik“ und Unabhängigkeit vom Bahnmanagement. Monheim verwies auf „die schlechten Erfahrungen mit der Praxis der Bahnspitze, sich Wohlverhalten von Kritikern zu erkaufen“. Und er nannte als Beispiel für dieses „System Mehdorn“ den Seitenwechsel des damaligen Bahngewerkschaftschefs Norbert Hansen in den DB-Vorstand. Ein Sozialfonds der Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) und des Arbeitgeberverbands Move, in dem die DB das Sagen hat, soll nun das Pro-Bahn-Projekt finanzieren. Dieses Projekt solle sich mit wichtigen Fragen der Gewaltprävention befassen und sei „kein Naumann-Projekt“, betont ein EVG-Sprecher. Die EVG geriet wegen unklarer Finanzierungsquellen in der Vergangenheit mehrfach in die Schlagzeilen. Teils hieß es damals, finanziere die DB die Gewerkschaft über Seminare indirekt mit.

Meinungsverschiedenheiten auch bei Stuttgart 21

Das seien „böswillige Unterstellungen“, die man zurückweise, so der Sprecher. Monheim sieht in dem Projekt zumindest eine Verquickung von privaten und Verbandsinteressen. Er forderte monatelang vergeblich volle Transparenz. Im Vorstand habe man aber mit aller Macht eine öffentliche Debatte verhindern wollen. An einem Treffen mit der EVG im Dezember durfte Monheim laut seinen Angaben nicht teilnehmen.

Dem zweitgrößten Landesverband NRW droht der Ausschluss aus dem Bundesverband. Zumindest hat der Vorstand unter den Vorsitzenden Jörg Bruchertseifer und Alexander Drewes das beim Schiedsgericht des Verbands beantragt. Wie die Landesverbände Rheinland-Pfalz/Saarland, Hessen und Berlin/Brandenburg hatte auch NRW die Konstruktion des Projekts kritisiert und eine seriöse Durchführung gefordert.

Hintergrund des Streits beim Fahrgastverband ist auch die Positionierung zu wichtigen Fragen in der Bahnpolitik, etwa zur Privatisierung der DB oder dem umstrittenen Großprojekt Stuttgart 21. Hier gibt es auch im Verband sehr unterschiedliche Meinungen. Monheim gilt als kritischer, aber kompetenter Beobachter der Entwicklungen im Schienenverkehr. Der Professor ist Mitbegründer des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und hat zahlreiche Bücher zur Verkehrspolitik und Regionalentwicklung verfasst.

Sprecher: „Fehler bei der Kommunikation“

Der Sprecher von Pro Bahn, Matthias Oomen, bezeichnete auf Anfrage den Rücktritt Monheims als „noblen Schritt“. Die Ansichten der Kritiker, unter denen „politische Extremisten“ seien, fänden keine Mehrheit im Verband, deshalb sei der Rücktritt folgerichtig. Oomen räumte ein, dass der Bundesvorstand „Fehler bei der Kommunikation“ gemacht habe. Das Projekt, das Naumann durchführen solle, sei „völlig harmlos“ und die Aufregung darum nicht gerechtfertigt.

Naumann erklärte auf Anfrage, man halte an dem Projekt fest, das mit einer Mehrheit von elf zu eins beschlossen wurde. Im Februar sollen bei einem Seminar die Details besprochen werden und im März der Verbandstag darüber entscheiden. Die Finanzierung sei unkritisch und gefährde die Unabhängigkeit von Pro Bahn nicht, sagte Naumann. Seine beabsichtigte Arbeit für die DB im vorigen Jahr hätte er, so Naumann, erst nach dem Ende seines Vorstandsamts wahrgenommen.