Stuttgart - Noch ein Training steht an, ehe es zum nächsten Gastspiel geht. An diesem Samstag trifft sich die Mannschaft des VfB Stuttgart auf dem Clubgelände, ehe sie anschließend in den Flieger Richtung Niedersachsen steigt. Im Gepäck hat der Fußball-Bundesligist schon reichlich Punkte und genug Selbstvertrauen, um dem VfL Wolfsburg an diesem Sonntag (18 Uhr) stark zu begegnen.
Doch im Tross der Schwaben gibt es zunehmend atmosphärische Störungen, so dass der Club in Turbulenzen geraten könnte. Denn sportlich mag der VfB aktuell mit seinem Jugendstil verzücken, hinter den Kulissen droht schon wieder eine Zerreißprobe. Auf der einen Seite positioniert sich der Vorstand der VfB AG um den Vorsitzenden Thomas Hitzlsperger. Auf der anderen Seite steht der Präsident Claus Vogt, von vielen Entscheidungswegen abgeschnitten und in gewisser Weise isoliert.
Nur nach außen hin eine Einheit
So kommt sich Vogt jedenfalls vor, wenn er kritisch auf sein erstes Amtsjahr zurückschaut. Der Unternehmer hat viel Herzblut mitgebracht und will den VfB von innen heraus erneuern. Allerdings nicht auf Anhieb, da er zunächst ja nur für kurze Zeit gewählt wurde. Nun kandidiert der 51-Jährige für die nächsten vier Jahre erneut. Am 18. März findet die Mitgliederversammlung, und Hitzlsperger blickt offenbar jetzt schon sorgenvoll auf diesen Termin, weil sich in der Zusammenarbeit mit Vogt immer mehr Risse zeigen.
Das verwundert einerseits, da Vorstandschef und Präsident in der Öffentlichkeit bisher den Eindruck vermittelten: Da verstehen sich zwei. Andererseits nimmt das AG-Lager nach Informationen unserer Zeitung Vogt in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzenden mehr als Blockierer denn als Macher wahr. Zuletzt offenbarte sich das bei der Vertragsverlängerung von Sportdirektor Sven Mislintat. Es dauerte, obwohl sich Hitzlsperger und Mislintat längst einig waren.
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Tatsächlich bestand die Gefahr, dass sich der Architekt des Teams verabschiedet. Nun gehört es jedoch zu den Aufgaben des Kontrollgremiums, die Maßnahmen zu hinterfragen. Schon im vergangenen Frühjahr formulierte der ehrenamtlich tätige Vogt Einwände gegen eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Trainer Pellegrino Matarazzo. Nicht nur aus Vogts’ Sicht berechtigt, da der Aufstieg zu diesem Zeitpunkt infrage stand. Aber im Aufsichtsrat saß er ziemlich alleine da, und das Verhältnis zur Sportlichen Leitung ist seither abgekühlt, zumal Hitzlsperger einen engen Kreis an Personen um sich gezogen hat. Da soll kein anderer hineinreden – was Vogt aber versucht.
Er war kaum eine Woche im Amt, als beim VfB über die Trennung von Tim Walter diskutiert wurde. Der streitlustige Chefcoach musste dann unmittelbar vor Weihnachten gehen, und der frisch gewählte Präsident wollte gleich mit Alternativvorschlägen aufwarten. Das kam nicht gut an – und überhaupt: Seit der Ausgliederung des Profifußballs haben sich die Rollen verändert. Der Präsident, einst mit großer Machtfülle ausgestattet, ist nur noch der oberste Repräsentant des Vereins. Der Vorstandsvorsitzende der AG ist der Big Boss im operativen Bereich.
Welche Rolle spielen die externen Berater?
Offenbar hat Vogt seine Rolle beim VfB aber noch nicht verinnerlicht. Er ist mit einem anderen Verständnis angetreten. Einem Verständnis, das aus der Vergangenheit herrührt. Jetzt will er zumindest in die Abläufe eingebunden werden. Verständlich. Aber: Die Schwergewichte im Aufsichtsrat, Winfried Porth (Daimler) und Hartmut Jenner (Kärcher), sollen sich schon über das vermeintliche Leichtgewicht Vogt und dessen Sitzungsführung gewundert haben. Immer wieder ist auch zu hören, dass sich der Präsident allzu gerne in Szene setzen lässt – mit Bildern und Posts in den sozialen Medien.
Beliebt ist der Präsident bei weiten Teilen der Fans aber allemal. Weil er sich als einer der ihren zeigt. Seine Projekte, Investorensuche im Mittelstand, Frauenfußball oder Expertenrat, kommen dagegen nicht voran. Corona-bedingt, sagt Vogt. Weil es an Entschlusskraft fehlt, meinen andere. Jedenfalls ist zu hören, dass der Präsident gerne Entscheidungen aufschiebt, weil er die Angelegenheiten mit nach Hause nimmt und mit den Beratern bespricht, die ihn persönlich umgeben.
Das schafft kein Vertrauen. Und die Ermittlungen rund um die Datenaffäre tun ein Übriges, um das Betriebsklima weiter zu belasten. Bettina Backes (Ehefrau des früheren TV-Moderators Wieland Backes) ist seit wenigen Wochen als Ombudsfrau beim VfB tätig – und sie hat auch wegen der Strukturreform angeblich viel zu tun. Resolut geht die von Vogt beauftragte Kanzlei Esecon zu Werke, um die Sachlage rund um die unerlaubte Weitergabe von Daten zu klären. Eine Nummer zu groß sei die Aufklärung angelegt, heißt es andererseits. Viel Geld verschlingt die Ermittlungsarbeit zudem – ohne dass Vogt bisher eine Frist für Ergebnisse gesetzt hätte.
Aus unserem Plus-Angebot: Konkurrenz für Claus Vogt
Seit Monaten geht das so an der Mercedesstraße. Nur: Eine Lösung ist nicht in Sicht. Vogt ist gewählt und nicht bestellt wie der Vorstand. Ohnehin werden sich Mitglieder und Fans fragen, warum es zwei Sympathieträger des Vereins eigentlich nicht schaffen, einheitlich nach innen im Sinne des VfB zu wirken. Die Antwort könnte lauten, dass es der Club auf die ihm eigene Weise mal wieder schafft, diesmal zwar weiter Spiele zu gewinnen, am Ende aber als Verlierer dazustehen.