Der Chef der Chemiegewerkschaft, Michael Vassiliadis, fordert einen ehrlichen Blick auf die bürgerliche Mitte. Diese leide weniger unter prekärer Arbeit, als es von anderen Gewerkschaften dargestellt wird. Da droht Ärger im DGB, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Chemiegewerkschaft legt sich wieder einmal mit einigen Schwestern im DGB an. Munitioniert durch eine große Studie des Forschungsinstituts DIW stellt sie fest, dass die Arbeitnehmerschaft nicht von den prekären Jobs am unteren Rand angefressen wird. Dieser Befund wird zunächst einmal diverse Wirtschaftsverbände freuen. Diese weisen seit Jahren darauf hin, dass die bürgerliche Mitte nicht unter einem Zuwachs an befristeten Tätigkeiten oder Minijobs leidet.

 

Fokus auf die eigenen Mitglieder gerichtet

Teile des Gewerkschaftsbundes wie Verdi werden hingegen murren, denn sie haben zentrale Kampagnen auf der Warnung aufgebaut, dass der Normalarbeitnehmer ins Prekariat abzugleiten droht. Mit diesem Antrieb hat die Koalition wichtige Haltelinien beschlossen. Frei nach dem Motto „Genug gejammert“ will die Chemiegewerkschaft den Blick von Politik und DGB von den sozialen Randgruppen wieder auf die eigenen Mitglieder richten, die als Nächste entlastet werden sollen. Abgesehen davon, dass die Industriegewerkschaften für ihre Klientel schon selbst viel herausholen, darf aber nicht der Eindruck entstehen, als wären die Gesetze etwa zum Mindestlohn, zu Werkverträgen oder Zeitarbeit überflüssig. Tatsächlich wird die Mitte dadurch abgesichert. Gerieten die Regelungen in Verruf, wäre der Vorstoß der Chemiegewerkschaft ein Eigentor.