CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut dringt auf eine Lockerung des Arbeitszeitrechts. Dazu plant sie eine Bundesratsinitiative der baden-württembergischen Regierung. Allerdings müssen dann die Grünen mitmachen. Erste Gespräche sollen „zeitnah“ im Januar geführt werden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Kurz vor Weihnachten kocht in der Landespolitik der Vielfrontenstreit um eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes hoch. Selbst die Koalition ist sich uneins: Die CDU macht Druck, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen – die Grünen halten dagegen, zeigen sich aber gesprächsbereit. SPD und Gewerkschaften wiederum feuern aus allen Rohren, um die letztlich von der Wirtschaft gewünschte Aufweichung zu verhindern.

 

Von ihrer Fraktion angetrieben setzt sich Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) an die Spitze der Bewegung. Sie will die 10-Stunden-Obergrenze pro Arbeitstag auf zwölf Stunden ausweiten. Maximal sollen 54 Stunden in der Woche möglich sein – sodass die Arbeitszeit variabler verteilt werden kann. „Eine Reform des Arbeitszeitrechts muss sowohl den Wünschen der Beschäftigten nach mehr Arbeitszeitsouveränität und der Betriebe nach mehr Flexibilität Rechnung tragen als auch sicherstellen, dass der Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gewahrt bleibt“, schreibt die Ministerin in ihrer Antwort auf einen Antrag der SPD-Fraktion.

„Generalangriff auf die Interessen der Beschäftigten“

Diese ist mit der Reaktion der Ministerin unzufrieden: Ihr „scheint nicht daran gelegen zu sein, wirklich transparent über das Thema Arbeitszeit zu diskutieren“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Boris Weirauch unserer Zeitung. „Anders lässt sich nicht erklären, dass sie sich im Grunde weigert, unsere Fragen zu beantworten – so bleibt völlig im Dunklen, was sie tatsächlich plant.“ Es stehe zu befürchten, „dass es zu einem Generalangriff auf die Interessen der Beschäftigten im Land kommen wird und die CDU vorschlagen wird, die tägliche Höchstarbeitszeit für alle auf zwölf Stunden anzuheben“. Eine womöglich interessengerechte Flexibilisierung in manchen Bereichen dürfe nicht heißen, den Arbeitsschutz für alle zu verschlechtern. Die SPD werde energischen Widerstand leisten.

Auch DGB-Landeschef Martin Kunzmann äußert generelle Vorbehalte: „Was unter dem Etikett Modernisierung daherkommt, würde für die Beschäftigten massive Verschlechterungen, mehr Stress und gesundheitsgefährdende Arbeitszeiten bedeuten“, sagt er. Und wenn die Ministerin in ihrer Antwort auf die SPD-Anfrage behaupte, die Gewerkschaften seien in die Erarbeitung ihrer Vorschläge eingebunden gewesen, dann sei dies „schlicht falsch“. Den lautstarken Protest des DGB könne sie nicht überhört haben. „Wir warten immer noch darauf, aus erster Hand über die Vorhaben informiert zu werden.“

Keine Kompromissbereitschaft bei Ruhephasen

Über den Widerstand von SPD und Gewerkschaften wundert sich die Ministerin. Es sei falsch, von regulären Zwölf-Stunden-Tagen zu reden, weil sie Ausgleichsregelungen vorsehe: So soll Mehrarbeit binnen sechs Monaten abgebaut werden. Auch will sie trotz aller Arbeitgeberforderungen die elfstündigen Ruhephasen zwischen den Arbeitstagen nicht antasten und zeigt sich da auch nicht verhandlungsbereit. Zudem sind offenbar Dokumentationspflichten in den Betrieben denkbar, wo die gelockerten Regelungen angewandt werden. Und bei Risikotätigkeiten wie auf dem Bau soll es ohnehin bei den maximal zehn Stunden bleiben. Gefährdungsbeurteilungen sollen den Schutz der Beschäftigten sicherstellen.

Zudem sieht Hoffmeister-Kraut ihre Vorschläge eher als rechtlichen Rahmen für einzelbetriebliche Vereinbarungen an. In der Tat hat sie ihr Anliegen noch nicht offiziell mit Arbeitgebern und Gewerkschaften erörtert, weil sie erst den Konsens in der Koalition sucht. Dem Vernehmen nach soll es „zeitnah“, im Januar, ein Gespräch mit den Grünen geben. Die haben Bereitschaft signalisiert, eine Regierungsposition zu erarbeiten. Mit einer raschen Einigung ist aber nicht zu rechnen.

Grüne wollen die Sozialpartner stärken

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Andrea Lindlohr, macht noch ein Fragezeichen hinter die Bundesratsinitiative, weil beide Parteien von unterschiedlichen Ausgangspunkten starteten, wie sie sagt. Die CDU wolle den Höchstarbeitszeitrahmen anheben, doch die Grünen wollten die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter stärken, nicht generell die Arbeitszeit erhöhen. „Der Gesetzgeber sollte den Sozialpartnern mehr Möglichkeiten geben, Arbeitszeitregelungen zu vereinbaren“, sagt Lindlohr. „Wenn Union und SPD das im Bund nicht machen, können wir das selbst vorschlagen.“

Tatsächlich könnte die große Koalition in Berlin das Arbeitszeitgesetz als ein Bundesgesetz sofort ändern, wenn sie dies wollte. Parteichefin Andrea Nahles selbst hatte – damals noch als Bundesarbeitsministerin – die Initiative ergriffen und sogenannte „Experimentierräume“ in den Unternehmen vorgeschlagen. Aber die Gewerkschaften blockten eine Lockerung ab. Derzeit drängt die CDU erneut, doch mag die SPD das Thema nicht mehr forcieren, wie es aus dem Kanzleramt dringt. Daher wählt Hoffmeister-Kraut den schwierigen Weg über die Bundesratsinitiative. Über verbündete Länder mag sie dabei noch nicht reden.