In der Landeshauptstadt stehen rund 3000 Kinder auf der Warteliste. Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) macht Hoffnung auf eine Lösung.

Die Landesregierung will erneut eine Ausnahmegenehmigung für die Standards bei der Kinderbetreuung zulassen und plant, die Höchstgruppengröße in den Kitas um bis zu zwei Kinder zu erweitern. Die Regelung soll bis zum Ende des Kindergartenjahres im August 2023 befristet sein, der Entwurf geht jetzt in die Anhörung.

 

Stuttgarts Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer, FDP, hat am Mittwoch im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates für eine wesentlich weiter reichende Regelung plädiert. Der Vorschlag der Landesregierung sei halbherzig, offensichtlich wolle man damit „niemandem auf die Füße treten“, so Fezer. Es sei völlig unklar, was nach dem Ende des Kindergartenjahres geschehen solle. Es ist eigentlich nicht vorstellbar, die Kinder nach wenigen Monaten Betreuung wieder nach Hause zu schicken.

In Stuttgart rund 2000 Gruppen

Fezer fordert vom Land die grundsätzliche Vergrößerung der Gruppen um ein bis zwei Kinder. Wenn das wie vorgesehen nur ausnahmsweise und freiwillig möglich sei, würden Erzieherinnen und Erzieher „dahin abwandern, wo das nicht stattfindet“, so die Bürgermeisterin. In Stuttgart gibt es rund 600 Einrichtungen mit rund 2000 Kindergruppen. Über etwa ein Drittel bestimmt die Stadt selbst, der größere Rest wird von freien Träger zur Verfügung gestellt. Mit der höheren Platzzahl könnte die seit Jahren bestehende Warteliste, auf der rund 3000 Kinder stehen, rasch aufgelöst werden.

In einem Brief an den Städtetag und an Ministerin Theresa Schopper, der unserer Redaktion vorliegt, hat die Stuttgarter Bürgermeisterin das Land bereits am 18. Oktober um „geeignete landesrechtliche Rahmenregelungen“ gebeten und darauf verwiesen, dass 17 Prozent der Fachkraftstellen des Jugendamts, mehrheitlich in Kitas, nicht besetzt gewesen seien zum Stichtag 30. Juni. „Dauerhaft sind zwischen 250 und 300 Stellen unbesetzt“ – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Warteliste, „ein Abfinden mit dieser Situation kann keine Lösung sein“, so Fezer.

Die Eltern in Stuttgart begrüßen die Vergrößerung der Gruppen nicht, könnten sie aber unter bestimmten Voraussetzungen akzeptieren. In einem Positionspapier vom September appelliert die Konferenz der Gesamtelternbeiräte, das Organ der freien, kirchlichen und städtischen Kita-Eltern: „Die Erhöhung der Gruppenstärke steht in krassem Widerspruch zum frühkindlichen Bildungsauftrag der Kitas und dem Ziel der Entlastung der Fachkräfte und kann aus unserer Sicht nur zeitlich befristet durchgeführt werden und muss mit umfangreichen Entlastungsmaßnahmen flankiert werden.“

Die kommunalen Spitzenverbände haben einen sogenannten Zukunftsparagrafen im Kita-Gesetz Baden-Württemberg ins Spiel gebracht. Fezer unterstützt diesen Vorstoß, weil dieser „den Kita-Trägern neue Modelle ermöglichen könnte, zum Beispiel im Bereich der Gruppengrößen, Gruppenzusammensetzungen, der Fachkraftausstattung und des Einsatzes weiterer Berufsgruppen“, so Fezer, die vorschlägt, „starre und einengende Regelungen“ wie beispielsweise die Fachkraftdefinition oder die Zahl der Zusatzkräfte auf den Prüfstand zu stellen und stattdessen Freiräume zu schaffen für die Weiterentwicklung der Kitas. Dies fordern auch die freien Träger in der Stadt. Außerdem, so Fezer, sollen Erzieherinnen von Verwaltungstätigkeiten und begleitenden Arbeiten entlastet und die Fachschulen ausgebaut werden. Das Land hat in seinem Verordnungsentwurf allerdings nichts davon aufgegriffen. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die Pläne der Landesregierung scharf. So laufe die Werbekampagne zur Gewinnung von Fachkräften ins Leere, hieß es, wenn „die Krise das neue Normal ist, brauchen wir Standards, die auch langfristig tragen“, so die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder. Volker Schebesta vom Kultusministerium Baden-Württemberg stellt sich diesen Freitag den offenen Fragen. Er sowie Landtagsabgeordnete von SPD, CDU, FDP und Grünen sind Teilnehmer einer Podiumsdiskussion bei der Gewerkschaft Verdi in der Theodor-Heuss-Straße 2.

Gewerkschaft fordert neue Standards

Die SPD im Gemeinderat warnt vor dem Abwandern von Fachkräften. Durch Fezers Forderung ergebe sich ein „neues Spannungsfeld“, so Lucia Schanbacher, man müsse das diskutieren. Grüne und CDU stützen Fezers Ansatz. Die Fachkräfte müssten dann von administrativen Aufgaben entlastet werden, so Grünen-Sprecher Andreas Winter. Die Christdemokraten haben bereits vor Monaten einen Kitamanager zur Entlastung und einen Pilotversuch gefordert. Die Elternvertreter unterstützen den Vorstoß der CDU, fordern den Einsatz der Kita-Manager aber bereits ab Januar und „flächendeckend“, „ein kleines Pilotprojekt ist aus unserer Sicht nicht zielführend“.

Eine Gemeinderatsvorlage zu den Kita-Plänen nach neuer Verordnung ist laut Verwaltung frühestens im Dezember zu erwarten. „Ich weiß sehr wohl, dass die Arbeit für die Erzieherinnen schwierig ist, mehr Plätze müssen an verbesserte Rahmenbedingungen geknüpft werden. Es muss das Ziel sein, allen Kindern in Stuttgart einen Kita-Platz zu bieten, gerade auch denen, deren Eltern nicht in der Lage sind, ihre Forderungen zu artikulieren oder einzuklagen“, sagt Fezer.