Die Vorstrafenliste der Angeklagten im „Paradise“-Prozess ist lang – und mitunter auch kurios. Ein 35 Jahre zurückliegender Raub gehört dazu und ein Chefsessel namens „Triest“. Und immer wieder schnelle Autos.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Chat-Protokolle mal auf Schwyzerdütsch, mal in rudimentärem Deutsch, der Rest seitenlange Vernehmungsprotokolle: Zwei Tage konzentrierten Vorlesens und Zuhörens liegen im Prozess um Beihilfe zu Menschenhandel, Zwangsprostitution und Investorenbetrug im FKK-Klub „Paradise“ hinter den Beteiligten. Die Aussagen von sieben Frauen, die in den „Paradise“-Betrieben in Leinfelden-Echterdingen, Saarbrücken, Frankfurt und anderen Klubs arbeiten, hat die siebte Strafkammer verlesen. Immer ging es um die von Gewalt dominierten Beziehungen der Zuhälter zu den Frauen, die sie im „Paradise“ oft in 16-Stunden-Schichten für sich arbeiten ließen.

 

Insolvente Heilpraktikerschule

Als der Vorsitzende Richter Rainer Gless vorliest, dass sich der „Paradise“-Marketing-Chef Michael Beretin, so das Urteil in einem Betrugsverfahren aus dem Jahr 1989 den „ Chefsessel Triest“, ohne die Absicht ihn zu bezahlen, bestellt hat, müssen manche Zuhörer im Saal grinsen.

Der Chefsessel und andere Büroutensilien sind Gegenstand eines Betrugsverfahrens. Zehn Urteile verzeichnet der strafrechtliche Rückblick in das Leben des heute 52-Jährigen. Es beginnt mit dem Fahren ohne Fahrerlaubnis. Noch am gleichen Tag, an dem ihn das Amtsgericht Stuttgart 1987 wegen schweren Raubes zu zwei Jahren Haft verurteilt, leiht er sich als vermeintlicher Kaufinteressent in einem Autohaus einen Porsche 911 für ein Wochenende. Er gaukelt ein hohes Jahreseinkommen vor – und bringt das Fahrzeug mit einem Schaden in Höhe von 4000 Mark zurück. Von 2012, seiner Zeit als Geschäftsführer einer Heilpraktikerschule, stammt eine Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung. In einem China-Restaurant bezahlt er mit einem ungedeckten Scheck und begründet das im Nachhinein damit, dass ihm von dem Essen schlecht geworden sei.

Versicherungsbetrug mit Porsche-Kabrio

Aus den elf Einträgen des „Paradise“-Chefs Jürgen Rudloff sticht die Verurteilung wegen schweren Raubs zu einer zehnjährigen Haftstrafe aus dem Jahr 1983 heraus, weil er an Überfällen beteiligt gewesen ist. Sieben Jahre sitzt er ab. Auch Rudloff ist in jungen Jahren ohne Führerschein unterwegs. Um 10 000 Euro versucht er seine Versicherung zu betrügen, als er 1998 ein Unfall-Porsche-Kabrio unter Preis reparieren lässt. In die Zeit der „Paradise“-Eröffnung 2008 fällt die Insolvenzverschleppung bei der von ihm mit geführten Immobilienfirma. Der letzte Eintrag stammt von 2011. Das Amtsgericht Hamburg verurteilte Rudloff wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 750 Euro.