EU-Jurist und ehemaliger JKG-Schüler Manuel Kellerbauer diskutiert über Europa, Populisten und „The Donald“.

Leonberg - Als Manuel Kellerbauer zur Auflockerung nach dem neuesten Mitglied der Europäischen Union fragt, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: Kroatien. Bei den sechs Gründungsmitgliedern wird es dagegen knifflig. Da kommt selbst die Lehrkraft in der letzten Reihe ins Schwitzen: Deutschland, Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg. England? Nicht ganz! Am Ende muss ihm dann doch eine blitzgescheite Schülerin zur Seite springen: Italien!

 

Nachhilfe in Sachen EU gibt es von dem Mann, der für den Juristischen Dienst der Europäischen Kommission, Abteilung Wettbewerbsrecht, arbeitet. Dort prüft Kellerbauer, ob eine Lösung juristisch vertretbar ist. Und wenn die Rechtmäßigkeit angefochten wird, streift er vor Gericht die schwarze Robe über – so wie einst, als der Chiphersteller Intel gegen die Geldbuße von mehr als einer Milliarde Euro geklagt hatte, die wegen einer Wettbewerbsrechtsverletzung verhängt wurde. Bevor es den Juristen nach Brüssel verschlug, drückte er die Schulbank am Johannes-Kepler-Gymnasium. Und eben jenem stattet er im Rahmen des bundesweiten EU-Projekttages einen Besuch ab.

Mit mehreren Sprachen durch Europa

Kellerbauer doziert über den Aufbau der EU, ihre Aufgaben, das Mehrheitsprinzip und die Vorzüge einer globalisierten Welt – dem Anlass entsprechend mehrsprachig, auch wenn er zügig vom Französischen ins Englische wechselt, und das ganz zur Erleichterung der gespannt lauschenden Elftklässler, die selten überfragt sind. Trotz Kritik an der EU, die schon mal als schwerfälliges und geldvernichtendes Bürokratiemonster betitelt wird und mit Verordnungen wie etwa für die Krümmung von Bananen immer wieder Lacher erntet, zweifelt er nicht an ihrer Daseinsberechtigung.

Ganz im Gegenteil. „Als EU sind wir einfach stärker“, befindet Kellerbauer. Der Freihandel mit seinen Joint Ventures, dem größeren Wettbewerb und dem damit einhergehenden Innovationsdrang bringe nicht nur ökonomische Vorteile mit sich, er sei nicht zuletzt auch friedensstiftend. „Wenn man gemeinsam Geschäfte macht, schafft man eine freundschaftliche Basis, und die Chance wird geringer, dass man auf die Idee kommt, sich zu bekriegen.“

Wie er nach Brüssel kam? Manuel Kellerbauer grinst. „Ich hatte nach der Schule an der Kasse eines Lebensmittelladens im Leo-Center gejobbt“, erzählt er und erinnert sich: „Samstags war es am schlimmsten: Endlose Schlangen und böse Blicke wegen Personalmangel.“ Auch wenn er Hochachtung vor dem Berufszweig habe, so habe er damals beschlossen, an die Uni zu gehen. Gesagt, getan: Kellerbauer studierte Jura in Tübingen, machte im südfranzösischen Aix-en-Provence den Magister in internationalem und europäischem Recht und promovierte. Ein Praktikum im EU-Parlament war dann der Türöffner für seine spätere Karriere.

Den Populisten nimmt er den Wind aus den Segeln. „Ihre Sprüche klingen zwar gut, aber es gibt keine einfachen Lösungen“, stellt er klar. Einfuhrzölle, wenn Firmen wegen niedriger Produktionskosten ins Ausland abwandern, hälfen nicht weiter. Dass auch dem US-Präsidenten Donald Trump schon bald einleuchtet, dass er die EU braucht, davon ist er überzeugt. „Erst wenn man an die Macht kommt, wird man mit der Realität konfrontiert.“

Belgische Pralinen im grauen Brüssel

Nicht zuletzt auch deshalb ist ihm um seinen Job im Brüsseler Büro nicht bange. „Mit dem Brexit wurde der Europäischen Union fast schon der Tod bescheinigt“, sagt er. Unliebsame EU-Politiker könne man zwar ersetzen, wenn man mit ihrer Arbeit nicht mehr zufrieden sei. „Aber die heutigen Probleme wie Klimawandel oder Terrorismus können wir nur mit einer funktionierenden EU lösen“, konstatiert Kellerbauer, der den Abstecher nach Leonberg auch für einen Familienbesuch nutzt, bevor es wieder ins „graue Brüssel“ zurückgeht.

Dort wird er eines Tages vielleicht auf einen seiner JKG-Nachfolger treffen. Die Frage nach den Einstiegsmöglichkeiten bei der Europäischen Union – ja, es geht auch ohne Studium – fällt nämlich gleich als erstes. Und das liegt sicherlich nicht nur an den feinen Belgischen Pralinen, die Kellerbauer für seinen Vortrag eingepackt hat.