Mit 17 Jahren hat Juliane Diller als einzige einen Flugzeugabsturz über dem Regenwald überlebt. Elf Tage schlug sie sich durch den Urwald, bis sie gerettet wurde. Danach lebte sie lange zurückgezogen – bis sie einen Weg fand, das Erlebte zu verarbeiten.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Plieningen - Von oben sieht der Regenwald aus wie eine Sammlung von Brokkoliköpfen. Daran erinnert sich Juliane Diller noch. Vor 45 Jahren hat sie an Heiligabend 1971 als einzige Passagierin den Flugzeugabsturz über dem peruanischen Regenwald überlebt. Damals war sie 17 Jahre alt. „Ich bin aus 3000 Metern Höhe durch die Luft in den Regenwald geschleudert worden“, berichtete Juliane Diller am 7. Dezember bei einem Vortrag an der Universität Hohenheim.

 

Zwei Stunden lang hat die Biologin und stellvertretende Direktorin der Münchner Zoologischen Staatssammlung in der Schloss-Aula über den Absturz und ihr Engagement im Naturschutzgebiet Panguana, etwa 50 Kilometer Luftlinie entfernt von der Absturzstelle, gesprochen.

Der Tipp ihres Vaters rettete ihr das Leben

Als das Flugzeug während eines Gewitters auseinander brach, war die in Lima geborene Juliane Diller (62), deren Eltern aus Deutschland stammen, gemeinsam mit ihrer Mutter unterwegs zum Vater. Der war an der Forschungsstation der Eltern im Amazonasgebiet geblieben, während Mutter und Tochter einen Ausflug nach Lima machten, um beim Abschlussball der Schule von Juliane Diller dabei zu sein. Die Familie lebte zu dem Zeitpunkt seit anderthalb Jahren im Regenwald. Die Eltern, beide Biologen, forschten dort und unterrichteten ihre Tochter. Das war nach dem Flugzeugabsturz das Glück von Juliane Diller: „Ich kannte und verstand diesen Lebensraum.“ Sie war in der Lage, nach dem Absturz elf Tage im Regenwald zu überleben, bis sie von Waldarbeitern gefunden wurde.

Außer ihr überlebte kein Passagier den Absturz, auch ihre Mutter starb. Juliane Diller erlitt nur leichte Verletzungen, die Bäume müssen ihren Sturz abgedämpft haben. Als sie aus der Ohnmacht erwachte und weder die Mutter noch andere Überlebenden fand, stieß sie schließlich auf einen Bach. Ihr Vater hatte ihr beigebracht, dass Bäche einen immer zu Menschen führe. „Ich bin durch den Bach gewatet, durch den Fluss geschwommen und irgendwann habe ich mich nur noch treiben lassen.“ Sie ernährte sich nur von einer Tüte Bonbons, die sie am Unglücksort gefunden hatte.

Fernseher gibt es nicht im Regenwald – dafür deutlich Spannenderes

Als sie nach elf Tagen gerettet wurde, stürzten sich die Medien auf sie. „Ich konnte mit dieser Berühmtheit schlecht umgehen und zog mich lange zurück.“ Erst die sensible Aufarbeitung ihrer Geschichte mit dem Regisseur Werner Herzog für den Film „Julianes Sturz in den Dschungel“ und das Schreiben des Buchs „Als ich vom Himmel fiel“ habe ihr geholfen, das Erlebte, die Trauer und die Schuldgefühle zu verarbeiten. Diese hatten sie geplagt , weil sie mit ihrer Mutter zu dem Abschlussball fliegen wollte, obwohl ihr Vater von der Fluglinie Lansa abgeraten hatte, da sie als unsicher gelte.

Nach dem Unglück zog sie nach Deutschland, wo sie zuvor noch nie gelebt hatte, und promovierte in Biologie. Sie entschloss sich, das Engagement ihrer Eltern im Regenwald fortzuführen: „Der Urwald hat mich gerettet, nun will ich ihn retten.“

Seit mehr als 40 Jahren kommt sie immer wieder in die Urwaldstation Panguana und führt Projekte durch, die die große biologische Vielfalt dort bewahren sollen – die 57  Fledermausarten, 500 verschiedenen Bäume und 520 Ameisenarten. „Anstatt eines Fernsehers haben wir ein Leuchttuch, um das sich abends alle versammeln. Dort sieht man die Schmetterlinge und Käfer am besten“, berichtete sie lächelnd. Ihr Engagement ist noch lange nicht vorbei, der Regenwald ist ihr Schicksal.