Warum er gegen Burkas ist und dass ‚Islam’ nicht gleich ‚islamistisch’ bedeutet, hat der Islamwissenschaftler Abdelmalek Hibaoui am Montag in einem Vortrag am Stuttgarter Friedrich-Eugens-Gymnasium den Schülern erläutert.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Der Musiksaal ist voll, dicht gedrängt sitzen die Schüler auf Stühlen und Tischen und schauen auf die Projektionsfläche an der Wand. Abdelmalek Hibaoui zeigt den Achtklässlern einen Film über Vorurteile. Der Islamwissenschaftler war am Montag am Friedrich-Eugens-Gymnasium zu Gast und hielt bei den Acht- und Zehntklässlern einen Vortrag zum Thema „Muslime in Deutschland: Herausforderungen und Chancen des Zusammenlebens“. Am Dienstag sind die Neuntklässler an der Reihe. „Nach den Vorfällen in Paris, Kopenhagen und jüngst Tunis war es uns wichtig, den Schülern zu zeigen, was sich hinter dem Islam verbirgt“, sagt der Schulleiter Martin Dupper. „Vor allem soll der Unterschied zwischen ,Islam’ und ,islamistisch’ deutlich werden.“

 

„99 Prozent der Muslime, die in Deutschland leben, sind friedlich“, sagt Hibaoui. Er ist akademischer Mitarbeiter am Tübinger Zentrum für Islamische Theologie, war Beauftragter der Stadt Stuttgart für Kontakte zu Muslimen und Oberhaupt einer islamischen Gemeinschaft in Reutlingen. „Trotzdem herrscht in Deutschland teilweise ein falsches Bild vom Islam.“ Nach aktuellen Umfragen würden 57 Prozent der Deutschen den Islam als Bedrohung und mehr als 60 Prozent den Islam mit der Demokratie als nicht vereinbar ansehen. Dies hänge vor allem an der unklar getrennten Wahrnehmung des Islam als friedliche Religion und islamistischen Gruppierungen zusammen.

Negativschlagzeilen überdecken die positive Beispiele

„Es ist ein fataler Widerspruch zum Koran, im Namen der Religion zu töten“, sagt Hibaoui. Gruppierungen wie dem Islamischen Staat (IS) oder den Taliban gehe es auch darum, viele Anhänger zu finden. „Und es ist sehr einfach, Menschen durch vorgeschobene religiöse Motive von etwas zu überzeugen.“ Immer wieder betont Hibaoui, dass sich die Muslime von Gewalt, wie sie solche Gruppierungen ausübten, deutlich distanzierten: „Der IS ist nicht die Stimme des Islams.“

Durch Negativschlagzeilen, die im Zusammenhang mit dem Islam stünden, würden positive Beispiele von Muslimen übersehen oder nicht wahrgenommen, sagt Hibaoui und zeigt den Schülern Fotos von muslimischen Politikern, wie dem Vorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, der Integrationsministerin von Baden-Württemberg, Bilkay Öney, und der Staatsministerin Aydan Özoguz, die seit 2013 als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration tätig ist. Mehr Gesichter erkennen die Schüler, als er Fotos der deutschen Nationalmannschaft und dem aktuellen VfB-Team zeigt. „Das sind alles Vorbilder für Migranten, Muslime und ein friedliches Zusammenleben in Deutschland“, sagt Hibaoui.

Alltag in Moscheen sollte öffentlicher werden

Um ein solches Zusammenleben zu ermöglichen, müsse der Alltag in den Moscheen öffentlicher werden: „In Stuttgart sind die Moscheen in Industriegebieten und Hinterhöfen versteckt“, sagt er. „Da wird man kritisch, was dort gepredigt wird.“ Stattdessen müsse es auch im Zentrum Gebetshäuser geben. Auch begrüße er eine Mischung aus osmanischem und deutschem Baustil für die Gebetshäuser.

Im Anschluss an den Vortrag dürfen die Schüler Fragen an den Islamwissenschaftler stellen. Besonders brennen ihnen Fragen nach den aktuellen politischen Geschehnissen auf der Seele. Ein Schüler erkundigt sich: „Wie kann der Islamische Staat seine Morde mit dem Koran rechtfertigen?“ Hibaoui erläutert: „Die Salafisten reißen Koranverse aus dem Kontext und benutzen diese dann, um ihre Gewalttaten zu begründen. Wir Muslime allerdings betrachten alle Verse, die mit Töten oder Kämpfen zu tun haben, als historisch.“

Burkas hält der Islamwissenschaftler für sehr konservativ

Mit der nächsten Frage hat Hibaoui schon gerechnet: „Steht es im Koran geschrieben, dass die Frauen ein Kopftuch tragen müssen?“, will ein Schüler wissen. „Es gibt verschiedene Gründe, warum Frauen Kopftücher tragen“, antwortet ihm Hibaoui. „Manche tragen es aus religiösen Gründen, andere aus Mode und wieder andere aus einem Sozialdruck heraus.“ Im Koran stehe lediglich, dass sich Frauen bedecken sollen. „In arabischen Ländern werden aber Frauen, die kein Kopftuch tragen, häufig sexuell belästigt“, sagt er. „Es kann also auch ein Schutz sein.“ Seine beiden Töchter, die die achte und neunte Klasse des Friedrich-Eugens-Gymnasium besuchen, würden beide eines tragen. Deutlich distanziere er sich aber von Burkas. „Das ist meiner Meinung nach sehr konservativ.“