Der Lokaljournalist Kai Müller hält einen Vortrag über seinen Beruf – und seine Berufung. Eine Prognose über die Zukunft der gedruckten Zeitung konnte Müller nicht abgeben, er hofft allerdings, dass sie erhalten bleibt.

Sonnenberg - Als Lokaljournalist braucht man vor allem ein dickes Fell, Beharrungsvermögen und eine gute Menschenkenntnis“, sagte Kai Müller bei seinem Vortrag im evangelischen Gemeindezentrum Sonnenberg. Mitglieder des Sonnenberg-Vereins und einige leidenschaftliche Zeitungsleser waren gekommen, als der stellvertretende Ressortleiter aus dem Nähkästchen plauderte. Müller, der nach seinem Studium der Geschichte, Politik und Sinologie ein Volontariat beim Schwarzwälder Boten absolvierte, kam bereits 2005 zur Filder-Zeitung. Bei ihr hat er seine Berufung gefunden: im Lokalen.

 

„Nerven Sie uns, sprechen Sie uns an, kritisieren Sie uns“

Ganz wie sein heimliches Idol, die Heldin aus Benjamin Blümchens Abenteuern, Karla Kolumna, sieht sich Müller als einen Journalisten, der immer vor Ort ist und „sich nichts bieten lässt“. Mit einem Block bewaffnet berichtet ein Lokaljournalist genauso gewissenhaft von der Preisverleihung für Rosenzüchter wie aus dem Bezirksbeirat. Dabei gilt es vor allem, das richtige Maß an Nähe und Distanz zu wahren. „Stellen Sie sich vor, Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann veruntreut das Geld vom Christkindlesmarktbudget fürs Tanken“, sagte Müller und ergänzte: „Nicht, dass er das je tun würde.“ Trotzdem würde der Lokaljournalist bedingt durch seinen langjährigen Kontakte zum Möhringer Schultes bei einer solchen Information die Geschichte aus Befangenheit an einen Kollegen abgeben. Um an Informationen zu kommen, müssen gerade Journalisten im Lokalen gute Kontakte nach außen pflegen. Dafür sind Hinweise der Leser unabdingbar. „Nerven Sie uns, sprechen Sie uns an, und kritisieren Sie uns“, forderte Müller das Auditorium auf. Nur so komme man häufig an die Geschichten, welche die Leser interessieren.

Die Zukunft der Zeitung ist ungewiss

Sobald ein Thema gefunden ist, beginnt die alltägliche Arbeit des Lokaljournalisten: Telefonieren und E-Mails schreiben, um an Hintergrundinformationen zu kommen. Meist, so Müller, fährt man los, um ein aktuelles Foto zu dem Artikel zu bekommen. Und am Nachmittag wird geschrieben. „Wenn die Seiten dunkelgrün sind, ist alles perfekt“, sagte er. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Seiten druckfertig sind – deshalb ist Kai Müllers Lieblingsfarbe auch grün.

Eine Prognose, ob die gedruckte Zeitung allerdings in 30 oder 40 Jahren noch existiert, konnte Müller nicht abgeben. „Der Wandel hat auch uns ergriffen“, sagte der Lokaljournalist und ergänzte: „Aber klar ist, dass die Inhalte auch weiterhin transportiert werden müssen.“ Dafür werde es auch künftig Journalisten geben. Ob diese ausschließlich die neuen Medien und das Internet zur Verbreitung der Informationen nutzen werden, weiß auch Müller nicht. Er hofft allerdings, dass die gedruckte Zeitung erhalten bleibt.

„Die Zeitung steht für den zweiten Gedanken“, sagte Müller und verwies damit auf eine Wortschöpfung des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen. Dort wird geordnet, bewertet und nach den Auswirkungen gefragt. Für den Lokaljournalisten ist das gedruckte Wort – subjektiv gesehen – entschleunigend, weil man sich mehr Zeit nehmen muss in einer hektischen Welt. Gern auch morgens am Frühstückstisch oder unterwegs in einem Café.