Wenn es um die Liebe geht, haben wir so viele Freiheiten wie nie zuvor: Zu viel Auswahl, zu viele Möglichkeiten und ja nichts verpassen? In unserer Serie "Wie liebt Stuttgart" begeben wir uns auf Liebesspurensuche. Am vergangenen Donnerstag hat der Stuttgarter Oliver Gehrke im Café Holzapfel Tipps fürs Flirten und Kennenlernen im Alltag gegeben. Wir haben uns im Publikum mal umgehört.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Er habe ein Date zum Kaffee trinken, erzählt er seinen Kumpels. „Tinder?“ ist dann meist die erste Frage. „Nein, Straße“ antworte er dann immer. Der Stuttgarter Oliver Gehrke ist kein hauptberuflicher Singleberater und ganz sicherlich auch kein Dating-Coach. Vielmehr hat er in der vergangenen Woche seine ganz persönlichen Erfahrungen beim Kennenlernen Preis gegeben.

 

Tinder, Parship oder sonstige Apps und Plattformen braucht der Mittdreißiger dazu nicht. Er spricht Frauen auf der Straße an. Und keineswegs tue er dies auf plumpe Weise mit Sprüchen wie „Lass uns einen Kaffee trinken zusammen. Zucker brauchen wir keinen dafür - du bist ja schon süß genug.“ Gehrkes Vorgehensweise ist einfacher: Er verteilt Komplimente. „Ehrliche Komplimente“, sagt er im rappelvollen Holzapfel.

Jeder freut sich über ein ehrliches Kompliment

Im Unterschied zum platten Anmachspruch ist das nämlich auch persönlich. „Das kann nur von einem Menschen kommen. Nämlich von euch“, sagt Gehrke. Doch was soll das für ein Kompliment sein? „Am einfachsten genau das, was ihr im ersten Moment gedacht habt, als ihr die Person gesehen habt“, empfiehlt er.

Gehrke spricht viele Frauen auf der Straße an. Es gehe ihm nicht nur darum, irgendjemanden anzumachen. Vielmehr freue sich doch jeder Mensch, wenn er ein ehrliches Kompliment geschenkt bekomme. „Jede Frau freut sich über ein ehrliches Kompliment“, ist er überzeugt.

Es geht um Wertschätzung

Sein Ziel sei nun nicht, die perfekte Anmache zu vermitteln. Vielmehr gehe es ihm um Wertschätzung. Schließlich könne man Komplimente auch an Freunde, Bekannte oder Kollegen verteilen, genauso wie eben an Fremde und dabei einfach nur neue Leute kennen lernen.

Besucher Christoph Knierim – einer der wenigen anwesenden Männer – findet Gehrkes Anliegen „authentisch“. Natürlich gebe es kein Patentrezept, wie man jemanden kennenlernen könne. Gehrkes Meinung teilt er vor allem in einem Punkt: „Die meisten Menschen haben viel zu viel Angst, sich einen Korb zu holen. Deshalb sprechen sie niemanden an“, so die Erfahrung des 72-jährigen Stuttgarters. Und betont sogleich: „Ich gehöre nicht dazu. Ich rede mit jedem.“ Wie er vorgeht? „Einfach lächeln.“ Klar und direkt. Dann ergibt sich ein Gespräch von alleine, meint er.

Freunden Komplimente machen

Die 32-jährige Stuttgarterin Franziska war eher enttäuscht. Deshalb will sie ihren ganzen Namen auch nicht sagen. „Das war nichts Neues für mich.“ In der Realität funktioniere dies auch sicherlich nicht so gut, so glaubt sie. Überhaupt, selbst jemand ansprechen würde sie sowieso nicht. Der Meinung ist auch Nina. Die 25-Jährige, die ebenfalls ihren Namen nicht sagen will, hat noch nie jemanden auf der Straße angesprochen. Sie mache ihren Freunden gerne Komplimente. Aber jemand Fremdes? „Nein“, betont sie.

Frauen wollen niemanden ansprechen. Nun ist das Problem: Bei der Veranstaltung waren vornehmlich Frauen. Das Ansprechen müssen nun also doch die Frauen übernehmen. Die haben ja nun Tipps aus erster Hand bekommen – von einem Mann. Wäre aber nicht nötig gewesen. Denn: „Flirten ist das Gewerbe der Frauen“ hieß es ja schon in Jane Austens „Stolz und Vorurteil“. Doch in einem Punkt stimmt die englische Schriftstellerin aus dem 19. Jahrhundert mit Gehrke überein: „Man muss in Übung bleiben.“