In einem BBC-Interview hat die US-Amerikanerin Virginia Giuffre ihre Missbrauchs-Vorwürfe gegen den Prinzen bekräftigt. Für den Lieblingssohn der Queen wird es immer ungemütlicher. Überraschend äußert sich jetzt die norwegische Kronprinzessin.

London/New York/Oslo - „Das ist nicht irgendeine schäbige Sexgeschichte. Das ist eine Geschichte über Menschenhandel, das ist eine Geschichte über Missbrauch. Und es ist eine Geschichte über ein Mitglied eures Königshauses“, sagte Virginia Giuffre (35) in dem von den Briten mit Spannung erwarteten Interview, das der Sender „BBC One“ während einer Sondersendung am Montagabend ausstrahlte. Das Opfer im Missbrauchsskandal um den verstorbenen US-Geschäftsmann Jeffrey Epstein wirft Prinz Andrew vor, sie missbraucht zu haben, als sie ein Teenager war. Nun wiederholte sie die Anschuldigungen und appellierte an die Briten: „Ich bitte die Bürger des Vereinigten Königreichs inständig darum, an meiner Seite zu stehen, mir zu helfen, diesen Kampf zu kämpfen, das nicht als okay zu akzeptieren“, sagte sie.

 

Scotland Yard wollte eine Anzeige wegen Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung gegen Epstein und Maxwell nicht weiter verfolgen. Die mutmaßlichen Straftaten hätten sich größtenteils außerhalb Großbritanniens ereignet. Daher fehle die Zuständigkeit. Laut BBC hatte Giuffre die Anzeige erstattet. Momentan wirft keine Behörde Prinz Andrew, der Epstein als einen entfernten Bekannten bezeichnet hat, Fehlverhalten vor.

Giuffre, die damals noch Roberts hieß, ist heute verheiratet und hat drei Kinder. Als Bedienstete in Donald Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida war sie Ende der Neunzigerjahre an Jeffrey Epsteins Vertraute Ghislaine Maxwell geraten, die ihr anbot, sie zur Massage-Therapeutin auszubilden. Tatsächlich wird sie zu Epsteins Sexsklavin. Fast zwei Jahre befindet sich Giuffre in dessen Fängen, bevor sie wegläuft. Dreimal sei sie zwischen 2001 und 2002 auch zum Sex mit Prinz Andrew gedrängt worden.

Norwegens Prinzessin Mette-Marit distanziert sich von Epstein

In dem medialen Prozess steht nun Aussage gegen Aussage. Prinz Andrew bestreitet alle Vorwürfe. In einem BBC-Interview Mitte November hatte er gesagt, er habe keine Erinnerung an das, was Giuffre behauptet. Doch seine Aussagen wurden als unglaubwürdig eingeschätzt, sein Auftritt geriet zum PR-Desaster. Anschließend zog er sich aus sämtlichen royalen Geschäften zurück. Was Andrew als freiwilligen Rückzug darstellte, soll laut britischen Medien ein Rauswurf gewesen sein.

Unterdessen hat sich Norwegens Kronprinzessin Mette-Marit in dem Fall zu Wort gemeldet. Sie bereut den Kontakt zum Multimillionär Epstein: „Ich hätte niemals etwas mit Epstein zu tun gehabt, wenn mir die Schwere seiner Verbrechen bewusst gewesen wäre“, teilte die 46-Jährige der norwegischen Zeitung „Dagens Næringsliv“ mit. Zudem sprach sie Epsteins Opfern ihre „Solidarität“ aus. Wie die Zeitung berichtete, traf Mette-Marit den Geschäftsmann mehrfach 2011 und 2013 in den USA und in Oslo. Zu der Zeit lag bereits ein Schuldspruch und eine abgesessene Haft wegen Missbrauchs hinter ihm.

Kein gutes Jahr für die Windsors

Das Jahr 2019 wird wohl nicht als ruhmreich in die Geschichte des britischen Königshaus eingehen. Manche sprechen gar von einem zweiten Annus horribilis (lateinisch: Schreckliches Jahr). Es fing schon nicht gut an, als der 97-jährige Ehemann der Queen, Prinz Philip, im Januar einen Autounfall verursachte, dabei zwei Frauen verletzte und damit eine öffentlichen Diskussion über Altersbegrenzungen für Autofahrer entfachte. Auch Prinz Harry und Herzogin Meghan standen in diesem Jahr häufig in der Kritik: der teure Umzug nach Frogmore Cottage, ihr Rückzug ins Private und schließlich das viel diskutierte Interview, das das Paar während ihrer Afrikareise im Oktober gab, in dem Harry sagte, dass sich sein Bruder und er auf „unterschiedlichen Wegen“ befinden würden und in dem sich Meghan über die Schattenseiten des royalen Daseins beklagte.

Und nun das dicke Ende: ein Mitglied der Königsfamilie, das tief in Ermittlungen zu Menschenhandel und Missbrauch von Minderjährigen verstrickt ist. Das in den vergangenen Jahren mühsam aufpolierte Image der „Firma“ hat erheblichen Schaden genommen. Der „Mirror“ schreibt, wegen Andrew sei der Ruf der Royals auf einem Tiefpunkt wie nach dem Tod von Prinzessin Diana. Ironie des Schicksals: kürzlich startete die dritte Staffel der Erfolgsserie „The Crown“ auf Netflix. Die fiktive Serie basiert auf wahren Begebenheiten aus dem Leben der Windsors. Im Kern geht es um Liebe, Hass, dunkle Geheimnisse, Verrat, Lügen und Intrigen. Momentan scheint es, als würde die Realität die Fiktion einholen.

„Annus horribilis“ – Das Jahr des Schreckens

Königin Elisabeth II bezeichnete das Jahr 1997 in einer Rede zu ihrem 40. Thronjubiläum als ihr persönliches „Annus horribilis“, ihr Jahr voller Schrecken. Die Redewendung ging in die Geschichte ein. Damals sorgten nicht nur die Trennungen von Prinz Andrew und Sarah Ferguson sowie Prinz Charles und Diana für Missstimmung.

Auch Prinzessin Annes Scheidung von Mark Phillips wurde rechtskräftig und Prinzessin Dianas Buch „Diana: Her True Story“ sorgte für Wirbel und beschädigte den Ruf des Königshauses. Außerdem wurden „Oben-ohne“-Fotos von Sarah Ferguson, die sie mit ihrem damaligen Freund John Bryan zeigten, veröffentlicht. Hinzu kam ein Feuer auf Windsor Castle, das die Decke der St. George’s Hall zum Einsturz brachte und einige Wohnungen beschädigte. In ihrer damals sehr spröden Art sagte die Queen: „Das ist kein Jahr, auf das ich mit ungetrübter Freude zurückblicken werde.“