Eine Strafanzeige gegen Oberstaatsanwalt Häußler wurde von einer seiner Untergebenen abgelehnt. Die Justiz findet das völlig in Ordnung, ein Rechtsanwalt gar nicht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Generalstaatsanwalt stellte sich, wieder einmal, vor den Chef der politischen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Wer dem umstrittenen Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler vorwerfe, er ermittele einseitig, der „tut ihm Unrecht“, verkündete Klaus Pflieger bei seiner letzten Jahrespressekonferenz vor dem Ruhestand. Ob die Verfahren Stuttgart 21 beträfen, das Nazi-Massaker von Sant Anna oder durchgestrichene Hakenkreuze – nichts entscheide der Abteilungsleiter alleine: „Es herrscht das 16-Augen-Prinzip.“ Häußler wie kürzlich die StZ als „Reizfigur“ zu bezeichnen, urteilte Pflieger, sei nicht akzeptabel.

 

Nun wird erneut ein Vorgang bekannt, durch den sich Häußlers Kritiker – vor allem unter den Stuttgart-21-Gegnern – bestärkt sehen dürften. Eine Anzeige gegen den Oberstaatsanwalt wegen des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im Schlossgarten bearbeitete nicht etwa eine andere Staatsanwaltschaft und auch nicht eine andere Abteilung der Stuttgarter. Als unbegründet abgewiesen wurde sie von einer Dezernentin seiner eigenen Abteilung, also einer von ihm zumindest indirekt abhängigen Untergebenen. Der Anzeigeerstatter ist darüber empört, aber die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft finden das völlig in Ordnung.

Anwalt: Häußler hätte eingreifen müssen

Erstattet wurde die Anzeige bereits Ende 2010 vom Freiburger Rechtsanwalt Frank-Ulrich Mann, im Auftrag eines der Schwerverletzten des „schwarzen Donnerstags“. Seine Begründung: Bekanntlich habe Häußler diesen Tag bis tief in die Nacht bei der Polizeiführung verbracht und mithin erkennen müssen, dass die Beamten unverhältnismäßige Mittel anwendeten. Trotzdem habe er nicht eingegriffen, sondern den Einsatz weiterlaufen lassen und das, obwohl er offensichtlich in die Entscheidungsstruktur der Polizei eingebunden gewesen sei.

Kaum zwei Wochen später kam schon die Antwort von der Staatsanwaltschaft: Eine Körperverletzung im Amt komme nicht in Betracht, weil Häußler nicht in die Entscheidungen – und auch nicht den Funkverkehr – eingebunden gewesen sei. Er habe sich nur vorsorglich vor Ort aufgehalten, falls strafprozessuale Entscheidungen oder Anordnungen zu unmittelbarem Zwang nötig würden. Unterzeichnet war die Verfügung von der Staatsanwältin Alexandra N. – einer bewährten Kraft aus der Abteilung Häußlers. Es ist die gleiche, inzwischen beförderte Ermittlerin, die später anderthalb Jahre lang partout keinen Anfangsverdacht beim EnBW-Deal von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erkennen konnte. Erst als nach dem Bericht des Rechnungshofs die Wirtschaftsabteilung eingeschaltet wurde, kam das Untreue-Verfahren ins Rollen.

„Der Vorgang erinnert eher an Usbekistan“

„Rechtsstaatlich korrekt und andernorts auch üblich wäre es gewesen, das Verfahren zur objektiven Überprüfung an eine andere Staatsanwaltschaft zu übergeben“, sagt der Rechtsanwalt Mann; doch dies habe Häußler offensichtlich gescheut. An der Unabhängigkeit der Untergebenen N. hat er erhebliche Zweifel: „Kein Staatsanwalt, der seine Karriere nicht abrupt beenden möchte, stellt sich gegen den eigenen Chef.“ Einen solchen Vorgang, spöttelt Mann, hätte er „eher in Usbekistan als in Baden-Württemberg vermutet – ohne den Usbeken zu nahe treten zu wollen“. Doch seine Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft wurde mit wenigen Zeilen abgelehnt. Auch ein Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht blieb aus formalen Gründen erfolglos.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist Manns Kritik völlig unbegründet. Für Anzeigen gegen Staatsanwälte, so ein Sprecher, gebe es klare Regeln. Der angezeigte Staatsanwalt selbst sei „von der Vornahme von Amtshandlungen ausgeschlossen“. Erscheine eine Anzeige „nicht von vornherein haltlos“ und könne „die gebotene Distanz zum Beschuldigten nicht gewahrt werden“, dann gehe die Sache an die Generalstaatsanwaltschaft, die eine andere Behörde damit befassen könne. Im Fall Häußlers aber „waren die Vorwürfe haltlos“, deshalb sei die Anzeige von der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Abteilung und der zuständigen Dezernentin abgewiesen worden. Ob ein Anfangsverdacht besteht, da gibt es freilich – siehe EnBW-Deal – durchaus Beurteilungsspielräume. Die Frage der StZ, ob es weitere Strafanzeigen gegen Häußler gab und diese ebenfalls von Untergebenen von ihm bearbeitet wurden, blieben unbeantwortet.

Der „General“ sieht die Objektivität gewahrt

Auch ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft verteidigte das Vorgehen. Die Möglichkeit zur Beschwerde und zum Antrag ans Oberlandesgericht gewährleisteten zusätzlich, dass Anzeigen gegen Staatsanwälte „wie jede andere Strafanzeige auch objektiv bearbeitet werden“. Auch Strafanzeigen gegen Polizeibeamte würden nur in Einzelfällen an andere Staatsanwaltschaften abgegeben; das hänge jeweils von den Umständen ab.

Justizminister Rainer Stickelberger (SPD), der sich schon mehrfach schützend vor Häußler gestellt hatte, wollte sich diesmal nicht äußern. Man sehe „derzeit keinen Anlass für eine Stellungnahme“, sagte seine Sprecherin.