Ein Krankenpfleger strebt in einem Berufungsverfahren am Landgericht einen Freispruch an. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Er soll Patienten eine viel zu hohe Dosis eines gerinnungshemmenden Mittels verabreicht haben. Ein Mann ist daran gestorben.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Für den Mann hängt viel davon ab, wie das Verfahren ausgeht. „Wenn es hier gut läuft, arbeite ich ab dem 1. Mai wieder“, sagte der 42-jährige Angeklagte, als ihn der Richter nach seinen Zukunftsaussichten fragte. Unter „gut laufen“ versteht er, dass das Landgericht in dem Berufungsverfahren zu einem anderen Ergebnis kommt als das Amtsgericht Bad Cannstatt. Dieses hatte den Krankenpfleger wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er soll im Herbst 2010, als ihn eine Zeitarbeitsfirma als Pfleger an das Robert-Bosch-Krankenhaus vermittelt hatte, bei sieben Patienten ein Gerinnungsmittel falsch dosiert haben. Bei sechs Kranken hatte das schwerwiegende Folgen, die zweimal durch Medikamente und in vier Fällen durch Operationen behoben werden mussten. Für einen 73 Jahre alten Patienten gab es keine Rettung mehr. Er starb an den Folgen der falschen Medikamentengabe.

 

Der Fehler, der dem Mann vorgeworfen wird, war die falsche Dosierung des Gerinnungsmittels Heparin. Statt einem Milliliter des Wirkstoffes und 49 Millilitern Kochsalzlösung habe er zehn Milliliter Heparin und 40 Milliliter Kochsalzlösung in die Infusionsspritzenpumpe gegeben.

Der Pfleger will einen Freispruch und in den Job zurück

Das Amtsgericht hatte den Mann wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verurteilt. Zunächst hatte er einen Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung erhalten. Da er gegen diesen Einspruch einlegte, kam es zu einer Gerichtsverhandlung, an deren Ende er in vier Fällen der Körperverletzung und in einem der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen wurde. Das Strafmaß betrug ein Jahr und drei Monate zur Bewährung. In zwei Fällen wurde er nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochen. Es sei berechnet worden, ob es zeitlich sein konnte, dass das Mittel nicht während der Dienstzeit des Angeklagten verabreicht worden war. Dadurch kamen in zwei Fällen Zweifel an der eindeutigen Schuld des 42-Jährigen auf.

Der Schuldspruch sei der Grund gewesen, warum er und sein Arbeitgeber, ein Altenheim in seiner Heimatstadt Kempten, sich einvernehmlich getrennt hatten. So das Urteil aufgehoben würde und der Mann den erhofften Freispruch erstreiten könnte, könnte er in den alten Job zurückkehren. Zudem leide er seit dem Urteil unter psychischen Problemen und sei wegen Depressionen in Behandlung. Der Mann lebt wieder in Kempten, wo er auch aufgewachsen ist. Nach Stuttgart kam er 2010, weil er davor zwei Jahre lang seine Mutter gepflegt hatte. Um das tun zu können, hatte er seine Stelle an einem Krankenhaus im Allgäu aufgegeben, danach war er auf die Zeitarbeitsfirma angewiesen und kam nach Stuttgart.

Die Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Berufung gegen den Schuldspruch eingelegt. Sie will erreichen, dass die Freisprüche in zwei Fällen aufgehoben werden.