Korntal-Münchingen kann nördlich von Müllerheim ein Gewerbegebiet von mindestens 15 Hektar entwickeln – und hat dabei ein so interessiertes wie namhaftes Unternehmen an der Seite. Bis das Projekt realisiert ist, sind aber noch so einige Steine aus dem Weg zu räumen.

Die Stadt kommt beim regionalen Gewerbeschwerpunkt mit kleinen, aber bedeutenden Schritten voran: Das ambitionierte Projekt nördlich von Müllerheim lässt sich auf einer mindestens 15 Hektar großen Fläche realisieren. „Der Gewerbeschwerpunkt wird relativ sicher kommen. Es gibt kaum Alternativen“, sagt der Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) – mit Blick darauf, dass seine Kommune unbedingt mehr Gewerbesteuereinnahmen braucht und Gewerbeflächen in der ganzen Region Stuttgart dringend benötigt werden, jedoch rar sind.

 

Den Machern schwebt ein maximal nachhaltiges, ökologisches Gewerbegebiet vor, ein „Gewerbepark mit Modellcharakter“, wie der Bürgermeister Wolf es nennt, ein Leuchtturmprojekt. Gleichwohl: „Wir haben noch einen steinigen Weg vor uns“, betont der Rathauschef, der „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ walten lassen will. Heißt: Es gilt noch sehr viele Fragen zu beantworten vor dem Infomarkt im ersten Quartal 2023. Bei der groß angelegten Bürgerinfo stellen unter anderem die ansiedlungswilligen Unternehmen ihre Pläne vor. Zu denen ein namhafter Stuttgarter Autobauer zählen könnte.

Porsche: Unterstützten die Entstehung nachhaltiger Gewerbeflächen

Auf Anfrage teilt Porsche mit, aktuell prüfe man, wie eine Beteiligung aussehen könnte. „Die werksnahe Lage zu Zuffenhausen und die gute Anbindung zu den weiteren Porsche-Standorten in der Region bieten unterschiedliche Nutzungsoptionen, die die Verkehrssituation entlasten könnten.“ Im geplanten Vorhaben in Korntal-Münchingen sehe Porsche ein ebenso innovatives wie nachhaltiges Zukunftsprojekt, das Leben und Arbeiten verbinde und die Belange des produzierenden Gewerbes mit Bedürfnissen von Gesellschaft und Umwelt in Einklang bringe. „Porsche bekennt sich zu seinen Standorten in Baden-Württemberg und Sachsen und unterstützt die Entstehung nachhaltiger Gewerbeflächen in den Regionen.“ Nachhaltigkeit sei ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie.

Dass die verfügbare Gewerbefläche nun kleiner ausfällt als erwartet – dem Regionalplan nach können es 25 Hektar sein – findet der Bürgermeister derweil nicht tragisch. „Durchaus zufrieden“ sei er. „Wir haben eine sehr gut zusammenhängende und gelegene Fläche“, sagt Joachim Wolf. Zumal es lange danach ausgesehen habe, dass „Schlüsselflächen“, zentrale Grundstücke, nicht zu erwerben sind. Womit das Vorhaben hätte scheitern können. Joachim Wolf berichtet auch, dass die von der Terra Projekt GmbH vertraglich gesicherten 15 Hektar „nicht das Ende der Fahnenstange“ seien. Öffentlich spricht er von einem „geringfügigem Ergänzungspotenzial“, das die Stadt selbst entwickeln will. Trotzdem werde das Projekt aus einem Guss sein.

Die Fläche wird gestapelt

Aus Sicht des Bürgermeisters besteht ein großer Vorteil des Gesamtkonzepts für das Projekt darin, dass es auf wenig Fläche eine vergleichsweise üppige Ansiedlung von Gewerbe ermöglicht. Die Fläche wird gestapelt, geplant sind unterirdische Stockwerke. „So kriegen wir enorm viel unter bei einem möglichst geringen Flächenverbrauch.“

Festgezurrt werden muss vor dem Infomarkt neben der Nutzungskonzeption und tragfähigen Ansiedlungsstrategie der Unternehmen zum Beispiel auch noch ein Verkehrs- und Wohnkonzept. Zudem ist offen, welchen Einfluss, welches Mitspracherecht die Stadt haben wird. Laut dem Rathauschef wird eine Projektgesellschaft gegründet.

Zahlreiche Fragezeichen auch bei den Gemeinderäten

Viele Fragen sind auch für die Gemeinderäte unbeantwortet. Steffen Müller (Freie Wähler) sieht Klärungsbedarf bei Finanzierungsgarantien, der Einhaltung der definierten Nachhaltigkeitskriterien oder beim Thema öffentlicher Nahverkehr, ÖPNV. Ähnliches zählt Oliver Nauth (CDU) auf. Er fordert außerdem vom Verband Region Stuttgart eine verbindliche Aussage zur Verfügbarkeit einer ÖPNV-Trasse. Die Schienenanbindung ist für Harald Wagner (Grüne) gar das Grundproblem, auch kritisiert er den Verlust wertvollen Ackerbodens.

Obgleich das Gewerbegebiet langsamer und kleiner vorankommt als gedacht – für den Verband Region Stuttgart (VRS) ist das Projekt weiterhin ein Glücksfall. Allein mit 15 Hektar entstünde ein „hochattraktives und ziemlich einmaliges Angebot“, sagt der VRS-Planungsdirektor Thomas Kiwitt. In der Region seien größere Gewerbeflächen ab circa drei Hektar Mangelware. Nach dem Monitoring des VRS stehen rund 200 Hektar zur Verfügung – sehr viele kleinere Einzelflächen, die für die im Rahmen des Strukturwandels gewünschte Ansiedlung von Zukunftstechnologien kaum in Betracht kämen. „Und jenseits einer Flächengröße von zehn Hektar ist das Angebot extrem überschaubar“, sagt Thomas Kiwitt.

Auch andernorts wird hart verhandelt

Und auch die Grundstücksbeschaffung, Bauleitplanung der Gemeinde und eigentlichen Bau- und Erschließungsmaßnahmen würden regelmäßig mindestens drei Jahre lang dauern, bisweilen aber auch sehr viel länger. „Nachhaltigkeitsstandards müssen dabei nicht zu einer zusätzlichen Verzögerung führen.“ Das Problem ist ein anderes, ein laut Kiwitt sehr grundsätzliches, wenn baureife Flächen fehlen: Investoren würden sich dann dort umsehen, wo es bereits Baurecht gibt und die Fragen des Grundstückeigentums geklärt sind. Eine solche „Angebotsplanung“ sei früher gängige Praxis gewesen. „Mittlerweile beginnt die Vorbereitung eines Baugebiets erst dann, wenn sich ein konkreter Investor meldet.“ Nicht immer bringe der dann aber die Geduld mit, um auf den Ausgang eines – mitunter offenen – Planungsprozesses und die Einigung mit sehr vielen Grundstückseigentümern zu warten. „Gemeinden, die für Investoren attraktiv sein wollen, brauchen daher entsprechendes Bauland – können dann aber auch selbstbewusst in entsprechende Ansiedlungsverhandlungen gehen.“

Verhandelt wird auch in Schwieberdingen. Die Gemeinde treibt ebenfalls den regionalen Gewerbeschwerpunkt voran, 23 Hektar nahe des Bosch-Standorts, im Verbund mit Hemmingen, Markgröningen sowie Ditzingen und auch mit Porsche an Bord. Beim Grundstücksankauf gebe es mit den mehr als 100 Eigentümern und Erbengemeinschaften teilweise bereits Einigkeit, berichtet der Bürgermeister Nico Lauxmann (CDU). „Alle Eigentümer bekommen noch in diesem Jahr ein Angebot, mit der Zielsetzung der Einigung und damit der Realisierung des Gewerbeschwerpunkts.“ Der die Gemeinde fit für die Zukunft machen solle, moderne Arbeitsplätze ansiedeln und insgesamt die wirtschaftlichen Perspektiven der Raumschaft sichern. Nico Lauxmann sagt: „Und gleichzeitig achten wir im interkommunalen Verbund auf eine solide Finanzierung und Wirtschaftlichkeit des Projekts.“