Ab sofort ziehen Jugend- und Sozialbehörden schrittweise in den Erweiterungsbau am Alten Postplatz – mit möglichen Einschränkungen im Service. Warum das Projekt mehr ist als ein Umzug.
Die Kisten sind gepackt, die ersten Schreibtische bereits leer – im Landratsamt in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) beginnt ein Umzug, der mehr ist als eine logistische Notwendigkeit. Mit dem schrittweisen Wechsel in den Erweiterungsbau am Alten Postplatz 18 verabschiedet sich die Kreisverwaltung von der Ära der verstreuten Außenstellen. Was folgt, ist kein simpler Standortwechsel, sondern der selbst erklärte Versuch, Verwaltung neu zu denken – digitaler, ökologischer, bürgernäher.
Wie das Landratsamt mitteilt, ziehen jetzt, nach den Pfingstferien, zentrale Bereiche aus Jugend- und Sozialdezernat in das neue Gebäude ein. Die Wochen bis Mitte Juli sind dafür reserviert – samt aller bekannten Risiken eines solchen Mammutprojekts: eingeschränkter Service, improvisierte Erreichbarkeit, Baustellenbetrieb. Doch wer genau hinsieht, erkennt: Hier wird nicht nur Platz geschaffen, sondern Haltung gezeigt.
Wer zieht wann und wohin?
Und so sieht der Umzugsplan der Behörde aus: Die Mitarbeitenden des Jugendamts in der Winnender Straße 30 sind seit Montag in Gang gesetzt. Auch die Bereiche Unterhalt, Vormundschaften und Beistandschaften wechseln aktuell von ihrem bisherigen Domizil in Backnang ins neue Gebäude. Ab dem 3. Juli sollen diese Dienste wieder persönlich erreichbar sein.
Parallel erfolgt vom 30. Juni bis zum 11. Juli der Umzug des Sozial- und Teilhabedienstes. Hier ist in zwei Etappen vorgesehen, dass ab dem 8. Juli Sozialhilfe, Wohngeld, Bildungs- und Teilhabe-Paket, Bafög, Blindenhilfe, Sozialer Dienst, Pflegestützpunkt und rechtliche Betreuung im neuen Amt angesiedelt sind. Eingliederungshilfe und Schwerbehindertenrecht folgen ab dem 15. Juli.
Auch die Kreistagsgeschäftsstelle wechselt in der Woche ab dem 7. Juli, das Büro des Landrats und die Pressestelle ziehen ab dem 15. Juli mit um.
Was ist der Hintergrund?
Mit dem Neubau will der Landkreis die langjährige Zersplitterung seiner Verwaltung auflösen. Elf verteile Standorte in Waiblingen machen den Betrieb komplex – organisatorisch und finanziell. Ein ganzheitliches Konzept ehrgeizig umgesetzt: Der Erweiterungsbau auf dem ehemaligen Parkplatz am Alten Postplatz schafft auf 4175 Quadratmetern Raum für rund 350 Mitarbeitende – in Holz-Hybridbauweise, klimaneutral und energieeffizient nach dem Gold-Standard der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB). Das bedeutet unter anderem: Fotovoltaik auf Dach und an Fassade, Anschluss an Fernwärme und Regenwassermanagement.
Integriert wurde eine neue Tiefgarage. Deren 214 Stellplätze – auch für E-Fahrzeuge – werden laut dem Landratsamt bereits voraussichtlich ab dem 27. Juni nutzbar sein.
Herausforderungen in der Übergangsphase
Das Landratsamt weist auf mögliche Einschränkungen im Service während der Umzugsphase hin. Dennoch sollen die Behördenteile jederzeit telefonisch oder per E-Mail erreichbar bleiben – viele Mitarbeitende arbeiteten im Home Office. Zudem werde vor Ort eine Infothek im Pagodenbau am Alten Postplatz 10 eingerichtet. Für dringende Anliegen sollen vorübergehend auch Lösungen im neuen Gebäude bereitgestellt werden.
Bürokratie trifft Moderne
Das Gebäudekonzept folgt einem klaren Drei-Zonen-Modell: öffentlicher Empfang, halboffene Beratung mit Glasfronten und internes Backoffice – barrierefrei und transparent. Flexibles Arbeiten ist vorgesehen: Nur 80 Prozent der Arbeitsplätze sind fest vergeben, um der stark ausgeprägten Teilzeitkultur und der Home-Office-Normalität Rechnung zu tragen. Einzelbüros gibt es nicht mehr – stattdessen Rückzugsinseln in Vierer- und Sechser-Inseln.
Diese offene Struktur soll Kommunikation fördern, wie der Architekt Hellmut Schiefer erläutert. Der Landkreis profitiert zweifach: Er löst teure Mietverträge auf und spart jährlich etwa eine Million Euro – gleichzeitig reduziert sich der CO₂-Ausstoß um schätzungsweise 153 Tonnen pro Jahr.
Ein Modell für die Zukunft
Das Projekt wird inzwischen auch überregional beachtet – Delegationen aus anderen Landkreisen hätten das Haus bereits inspiziert, berichtet der Landrat Richard Sigel nicht ohne Stolz. Sie interessierten sich besonders dafür, wie Effizienz, Bürgernähe und Nachhaltigkeit zusammengeführt werden können. Auch die Landespolitik beobachte das Vorhaben mit Interesse.
Trotz aller Fortschritte: Das Gebäude bleibt nach wie vor eine Baustelle: Außenanlagen sind noch nicht fertig, die Umgestaltung rund um die Villa Roller läuft, Einschränkungen an der sogenannten AOK-Kreuzung bestehen weiter. Ein ambitioniertes Etappenziel ist dennoch erreicht: das Altstadtfest in Waiblingen Ende Juni soll den Bürgerinnen und Bürgern bereits die Möglichkeit bieten, in der schrankenlos eingerichteten Tiefgarage zu parken.