Der Bau des Aussichtsturms auf dem Stellberg war auf eine Million Euro kalkuliert, aber unter 1,5 Millionen will ihn keine Firma bauen. Trotzdem soll er pünktlich eröffnet werden.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Werner Pfitzenmaier formulierte volkstümlich: „Das ist gnadenlose Abzockerei.“ Allerdings war der Sozialdemokrat nicht der einzige im Kreistag, den die Angebote zweier Firmen erbosten. Das Büro Schlaich, Bergermann und Partner, kurz sbp, hatte die Baukosten für den vielgepriesenen Aussichtsturm auf dem Herrenberger Stellberg auf rund eine Million Euro kalkuliert. Zwölf Firmen hatten sich für den Auftrag interessiert, aber nur zwei hatten sich um ihn beworben. Beide Angebote pendeln um die 1,5 Millionen Euro. Was der unübersehbar peinlich berührte sbp-Architekt Andreas Keil damit begründete, dass die Baubranche boomt. Weil die Auftragsbücher voll sind, „haben die Firmen zugelangt“, sagt er.

 

Der Turm wird trotzdem gebaut, pünktlich. Der Landkreis streckt die Mehrkosten vor, in der Hoffnung, einen Großteil von anderer Stelle zurückholen zu können. So hat es die Mehrheit des Kreistags beschlossen. Das Hauptargument, warum das Vorhaben nicht verschoben, schon gar nicht abgesagt wurde, lag gleichsam auf Hochglanzpapier gedruckt auf allen Plätzen: Das Baden-Württemberg-Magazin, ein Werbeblatt, hat einen mehrseitigen Text in Vorfreude auf den Aussichtsturm veröffentlicht. In ihm vermerkte ein kreisweit prominenter Autor, der Baubeginn sei „für den Sommer 2017 terminiert, aus artenschutzrechtlichen Gründen“. Jener Autor war Roland Bernhard, der Landrat.

Privatleute wie Unternehmen spenden für den Bau

Um eine billigere Variante zu planen oder die Eröffnung in der Hoffnung auf sinkende Preise zu verschieben, „ist das Projekt öffentlich zu bekannt“, sagte der Christdemokrat Dieter Haarer. Dies vor allem, weil auch der Landrat persönlich Spenden für den Bau eingeworben hatte. Auf der Liste der Gönner stehen Privatleute mit Beträgen von 500 Euro genauso wie Unternehmen mit fünfstelligen Summen. 400 000 Euro sind so zusammengekommen. Den Restbetrag teilen sich der Regionalverband, der Landkreis und die Stadt Herrenberg. Um die Mehrkosten zu finanzieren, hofft der Landrat auf höhere Summen von allen Beteiligten und nicht zuletzt auf weitere Spenden.

Offenkundig ist im Landratsamt eine Weile gerätselt worden, wie und wann die Botschaft von den Mehrkosten der Öffentlichkeit mitgeteilt werden sollte. Auf eine Anfrage dieser Redaktion zum Spendenstand war in der Behörde verschnupft reagiert worden. Zur Vorberatung im Finanzausschuss stand das Thema auf dem nichtöffentlichen Teil der Tagesordnung. Der Kreistag beriet den neuen Kostenstand in seiner letzten Sitzung vor der politischen Sommerpause – als letzten Punkt.

Bei der Mehrheit setzte sich Pragmatismus durch

Sechs der 84 Kreisräte enthielten sich, zwölf stimmten gegen den Vorschlag, das Angebot der Firma Stahlbau Urfer aus Remseck (Kreis Ludwigsburg) über 1,47 Millionen Euro anzunehmen, das billigere der beiden. Rechtlich hätte der Auftrag neu ausgeschrieben werden dürfen, eben wegen der unerwartet hohen Kosten. Allerdings setzte sich bei der Mehrheit im Kreistag der Pragmatismus durch, „mit der Faust in der Tasche“, wie der Sozialdemokrat Tobias Brenner sagte. Die Zahl der Firmen ist begrenzt, die in der Lage sind, Aussichtstürme zu bauen. Bei einer nochmaligen Ausschreibung sind eher noch höhere als niedrigere Angebote zu erwarten. Das waren die Argumente der Befürworter.

Dass nicht die Firmen an der Obergrenze, sondern sbp vorab das Projekt schön gerechnet hat, argwöhnt keiner der Beteiligten. Mit dem Beschluss ist der Folgeauftrag verbunden, dass die Planer den Turmbau betreuen. Allerdings scheint auch ihnen die Kostenexplosion peinlich. Das Büro verzichtet auf einen Teil seines Honorars.