Der Stuttgarter Autobauer Porsche macht sich nachdrücklich für den Gewerbeschwerpunkt in Korntal-Münchingen stark. Die Projektgegner bleiben bei ihrer ablehnenden Haltung. Bürgermeister Joachim Wolf gibt jetzt die Marschrichtung vor.

Der groß angelegte Infomarkt zum regionalen Gewerbeschwerpunkt (RGS) nördlich von Müllerheim mit mehr als 400 Besuchern ist eine Woche her. Was nun, nachdem sich alle Beteiligten, Befürworter wie Gegner des Gewerbeparks, der weltweit einzigartig wäre, Arbeiten, Wohnen und Freizeit vereint, in Position gebracht haben? Der Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) zieht nach der Veranstaltung eine positive Bilanz – und gibt die Marschrichtung vor. Andere Hürden als die Kritiker gebe es aktuell zu bewerkstelligen, sagt er. „Wir müssen die Rahmenbedingungen für den Gewerbepark konkretisieren.“

 

Damit spielt der Rathauschef darauf an, dass der Ökopark nur umgesetzt wird, wenn die Leitlinien zur Nachhaltigkeit eingehalten werden und die Höhe der zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen passt. „Wir sind bei unseren Anforderungen zur Nachhaltigkeit wenig kompromissbereit“, betont Wolf. Auch sei der Preis zu hoch, sollte zu wenig Gewerbesteuer rumkommen. Die Stadt, die jährlich um die 13, 14 Millionen Euro einnimmt, rechnet mit einem Plus im sechs- bis siebenstelligen Bereich. „Beides müssen wir sicherstellen“, sagt der Bürgermeister und mit Blick auf die Gewerbesteuer, man könne die zusätzlichen Einnahmen freilich nicht auf Heller und Cent kalkulieren, brauche aber „mehr Fleisch am Knochen“. Deshalb folgen nun weitere intensive Gespräche. Mit dem Freiburger Architekten Wolfgang Frey und dem Stuttgarter Autobauer Porsche. Der würde gern als Projektpartner und damit Investor einsteigen, aber auch als Nutzer.

Porsche lobt „Qualität des Konzepts“

Porsche bekräftigt sein Interesse am Ökopark. „Der Infomarkt war sehr wertvoll, und die Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern und Vertretern der Kommunalpolitik waren sehr aufschlussreich“, heißt es auf Anfrage. Man begrüße „ausdrücklich“ den Diskurs und sei weiterhin interessiert, als potenzieller Nutzer die Umsetzung dieses nachhaltigen Zukunftsprojekts zu unterstützen. „Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass die Qualität des Konzepts in Zukunft auch weitere Firmen als Interessenten anziehen wird.“

Der Autobauer kann sich auf den unterirdischen Flächen „hochwertige Funktionen für die Produktionsversorgung“ vorstellen: Bestimmte Teile könnten sortiert und zusammengebaut werden, ehe sie ins Werk Zuffenhausen gelangen. Zudem könnten die aktuell oberirdisch geplanten rund 50 000 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen anteilig innerhalb des Netzwerkes frühzeitig belegt werden, von Tochtergesellschaften etwa oder von Partnerunternehmen.

48 Hektar Nutzfläche auf 16 Hektar Boden schaffen

Die Stadt will aber auch ihr Mitspracherecht geklärt wissen, zum Beispiel wenn es um die Ansiedlungsstrategie geht, darum, welche Unternehmen kommen. Die „Skizzen“ des Architekten seien „visionär“, sagt der Rathauschef Wolf, auch hier gelte es, konkreter zu werden. Wolfgang Frey will auf einer Fläche von 16 Hektar 48 Hektar Nutzfläche schaffen, unterirdisch und in „aufstrebenden Gebäuden“. Und schließlich ist auch noch offen, wie die Trägergesellschaft aussieht, in der die Geldgeber sitzen. Das Investitionsvolumen wird auf mindestens eineinhalb bis zwei Milliarden Euro beziffert.

Parallel will der Rathauschef ein Bürgerforum stattfinden lassen. Ob das passiert, werde zurzeit geprüft, der Gemeinderat müsse mitziehen. Joachim Wolf berichtet, die Stadt sei mit der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Barbara Bosch, im Austausch. Sie habe das Verfahren empfohlen, das weder von der Stadt noch von Lobbyisten geprägt sei.

Bürgerforum soll Bevölkerung noch enger einbinden

Für die vier bis sechs Veranstaltungen wird aus der Bevölkerung ein repräsentativer Querschnitt ausgewählt, 30 bis 50 Personen, die zuvor festgelegte Themen bearbeiten. Die Diskussionsrunden wird ein neutraler, externer Moderator führen, die am Projekt Ökopark Beteiligten dürfen nur fachlichen Input geben, an den Veranstaltungen aber nicht teilnehmen. Sie erhalten danach ein Gutachten, das eine Empfehlung gibt, einen „wesentlichen Richtungszeig“, so Wolf. „Wir wollen die Bürgerbeteiligung intensivieren und die Bevölkerung noch enger einbinden, um noch deutlicher ihre Haltung zu sehen.“

Wenn es nach dem Bürgermeister geht, könnte es auf dem ersten Bauabschnitt im Jahr 2025 oder 2026 losgehen. Doch Joachim Wolfs Amtszeit endet im Juli. So wird er als Rathauschef große Schritte nicht mehr begleiten – selbst wenn der Gemeinderat der Umsetzung des RGS zustimmt. Das Gremium hat das letzte Wort. Nach einem Ja wäre der erste konkrete Schritt der Aufstellungsbeschluss. Damit beginnt das auf gut zwei Jahre angelegte Bebauungsplanverfahren.

Kritiker sitzen auch im Gemeinderat

Kritiker sitzen aber auch im Gemeinderat. Friedrich Siegle zum Beispiel. Der CDU-Mann ist Landwirt, Vorsitzender des Bauernverbands Münchingen und Mitglied der Initiative Kostbarer Strohgäuboden. Er sagt, es seien nach wie vor zu viele Fragen unbeantwortet – zu denen auch die Anbindung an Straße und Schiene gehört. Vor allem eins ist Siegle wichtig: „Das Projekt muss sich für die Stadt lohnen.“ Weshalb auch für Siegle die Höhe der zusätzlichen Gewerbesteuer stimmen muss. „Korntal-Münchingen braucht Geld“, weiß der Landwirt. Aus seiner Sicht müsse man schauen, „wo wir sparen können“ und bei den bestehenden Gewerbeflächen Lücken und Brachen nutzen. Neues zu bauen, sei nicht immer der Königsweg.

Ähnlich äußert sich Günter Zerweck. Wie Friedrich Siegle bleibt auch der Vorsitzende des örtlichen Nabu bei seiner ablehnenden Haltung. Naturschützer und Landwirte haben bereits vor zwei Wochen bei ihrer Demo klargemacht, was sie vom RGS halten. „Wir haben beim Infomarkt sehr viel Skepsis bestätigt bekommen“, sagt Günter Zerweck. So würden viele Menschen nicht daran glauben, dass mit dem Projekt die Finanzen der Stadt gesichert sind. Und „nachhaltig“ sei nur ein Schild, das dem Gewerbepark aufgeklebt werde. „Die Ideen des Architekten sind es wert, ausprobiert zu werden – aber nicht auf wertvollem Boden“, sagt Günter Zerweck. Was zerstört werde, sei weg. „Transformation heißt auch nicht unbedingt Erweiterung“, sagt Günter Zerweck. Vielmehr müssten sich die Unternehmen anpassen. Die Gegner hoffen nun auf das Bürgerforum. Auch haben sie vor, mit allen Fraktionen im Gemeinderat einzeln zu sprechen.