Seit knapp einem halben Jahr leiten sie gemeinsam das Staatsballett Berlin, jetzt geben Sascha Waltz und Johannes Öhman vorzeitig auf. Ihre Verträge laufen eigentlich bis zum Ende der Saison 2024/25.
Berlin - Erst seit fünf Monaten ist Sasha Waltz als Ko-Intendantin des Berliner Staatsballetts im Amt, ihr Einstand als Choreografin steht sogar erst noch bevor, doch jetzt teilt sie mit, dass sie zum Ende des Jahres aufhören will. Grund ist, dass Johannes Öhman, mit dem sich die Berliner Choreografin seit Sommer 2019 die Intendanz der Hauptstadtkompanie teilt, in seine Heimat Schweden und zu seiner Familie zurückkehren will. Der 52-Jährige übernehme mit Beginn des nächsten Jahres in Stockholm mit dem Dansens Hus die größte Bühne in Schweden für zeitgenössischen Tanz, teilt die Berliner Kulturverwaltung mit. Unter diesen Bedingungen wolle Waltz (56) nicht weitermachen und verlasse ebenfalls das Staatsballett.
Das Ende der Ballett-Tanz-Doppelspitze, die zu Beginn von viel Kritik begleitet war, dann aber zunehmend Anklang fand, kommt für alle überraschend, auch für die Tänzer. Die Verträge von Sasha Waltz und Johannes Öhman waren ursprünglich bis zum Ende der Spielzeit 2024/25 geschlossen worden. Der Mix aus Klassischem und Zeitgenössischem hatte mehr Publikum als zuvor in die Aufführungen des Staatsballetts gelockt. Das Bedauern seitens des Publikum über den plötzlichen Abschied äußert sich zum Beispiel in diesem Kommentar auf der Internetseite des Rundfunks Berlin-Brandenburg, wo jemand notierte: „Das ist wirklich schade. Durch diese gute Kombi aus Klassischen Ballett und Modern war ich im letzten Jahr tatsächlich öfter bei Vorstellungen als je zuvor. Ich hatte auch den Eindruck, dass es immer gut besucht war. Hoffe das Ensemble bleibt bei dem Mix.“
Raum für Spekulationen
Wie es beim Berliner Staatsballett nach dem Abschied von Johannes Öhman und Sasha Waltz weitergehen wird, dürfte nun viele Spekulationen nähren. Sicher ist so viel: „Symphonie 2020“, die erste Uraufführung von Sasha Waltz für das Berliner Staatsballett, soll am 25. April wie geplant in der Staatsoper Unter den Linden stattfinden. Auch die Pläne für die nächste Saison wird das Führungsduo am 4. März bei der Jahrespressekonferenz verkünden, auch wenn es dann mitten in der Spielzeit die Geschäfte abgibt. Darüber, wer die Nachfolge antreten wird, sollen die Tänzer mitsprechen dürfen, wie Kultursenator Klaus Lederer (Linke) mitteilte.
Mit dem Ende der Ko-Intendanz von Öhmann und Waltz endet ein künstlerisches und kulturpolitisches Experiment, vor dem gerade die Tänzer und Tänzerinnen des Ensembles, begleitet von einer Unterschriftenaktion, laut gewarnt hatten. Öhman, der sein Amt ein Jahr vor Waltz angetreten hatte, gelang es durch eine kluge Repertoirepolitik, die Bedenken zu zerstreuen. Zum Abschied schreiben er und Waltz: „Entsprechend groß ist unsere Freude über die sehr positiven Auslastungszahlen in unserer Amtszeit, die seit Gründung des Staatsballetts Berlin im Jahre 2004 die höchste Resonanz widerspiegeln.“ 2019 wurde die Kompanie von Fachjournalisten zum Ensemble des Jahres gekürt, „eine wichtige Anerkennung für das außergewöhnliche Engagement der hoch motivierten Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts, die jeden einzelnen Ballettabend mit ihrer Spitzenleistung zu einem Ereignis machen“, so Waltz und Öhmann.
Den Tanz in Berlin wachgerüttelt
Das aus der Fusion der Ballett-Kompanien der drei Berliner Opernhäuser 2004 entstandene Ensemble musste immer wieder einen Spagat mit Höhen und Tiefen absolvieren. Der aus der Ukraine stammende Startänzer Vladimir Malakhov hatte als Gründungsintendant eine neue Gruppe zusammengeschmiedet, musste aber schmerzliche Einschnitte vornehmen, da mit nur 88 Tänzerstellen mehr als die Hälft wegfielen. Fachleute und Kulturpolitiker sahen Malakhovs traditionellen Ansatz zwar kritisch. Doch das Publikum spielte mit, die Auslastung stieg deutlich. Trotzdem musste Malakhov gehen, auch sein Nachfolger, der Spanier Nacho Duato, wurde zum vorzeitigen Abschied gedrängt, um das Duo Waltz-Öhman zu etablieren.
Kultursenator Lederer zeigte Verständnis für die jetzige Entscheidung. „Aber natürlich bin ich darüber traurig, denn die beiden haben den Tanz in Berlin regelrecht wachgerüttelt.“ Das Duo habe gezeigt, dass es nicht vermessen sei, „dass das Staatsballett mit seinen großartigen Tänzerinnen und Tänzern europaweit Maßstäbe setzt“.