Das Nein der Briten zur EU könnte Bestrebungen in anderen Mitgliedstaaten stärken, denselben Weg einzuschlagen. Ein Überblick über mögliche Volksabstimmungen.

Brüssel - Die Briten sind mit ihrer ausgeprägten Europa-Skepsis nicht alleine in Europa. Der Brexit könnte sich das auf die politische Landschaft vieler EU-Staaten auswirken.

 

Ungarn

Weit fortgeschritten sind die Pläne der rechts-konservativen Regierung von Premier Viktor Orban für ein Referendum zu den EU-Flüchtlingsquoten. Dabei geht es um künftige, nicht um die schon beschlossenen Quoten. Gegen letztere klagt Budapest vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Abstimmung ist im Herbst geplant, der Termin noch offen. Das Verfassungsgericht wird noch prüfen, ob es verfassungskonform ist und nicht etwa gegen internationale Verträge verstößt. Die demokratische Opposition kündigte bereits einen Boykott des Referendums an. Damit es gültig ist, müssen daran mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen.

Tschechien

Das Brexit-Referendum hat die Debatte über einen möglichen „Czexit“ entfacht. Ein Ja der Briten zum Austritt würde eine „Welle des Nationalismus und Separatismus“ in ganz Europa auslösen, warnt der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka. Beobachter befürchten, dass das Thema dann den tschechischen Parlamentswahlkampf 2017 dominieren könnte. Als schärfster EU-Kritiker gilt Ex-Präsident Vaclav Klaus, der zuletzt beim AfD-Parteitag in Stuttgart auftrat. Anfang Mai scheiterte indes ein Antrag der rechtspopulistischen Morgenröte (Usvit), über ein Austrittsreferendum im Abgeordnetenhaus in Prag zu beraten.

Polen

Von Regierungsseite sind derzeit keine Referendums-Initiativen geplant. Die nationalistische Bewegung, als Teil der Partei Kukiz15 auch im Parlament vertreten, sammelt allerdings Unterschriften für eine Volksabstimmung, bei der die Bürger über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden sollen. Ob das Referendum durchgeführt wird, ist offen. Sollten die Wähler in der Flüchtlingsfrage das letzte Wort haben, dürfte Polen als Zufluchtsland wegfallen – in Umfragen waren zuletzt mehr als 70 Prozent gegen die Ansiedlung von Flüchtlingen.

Niederlande

Eine Mehrheit der Niederländer wäre nach Umfragen für eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft. Doch das ist nach heutiger Gesetzeslage unmöglich. Es gibt nur das Instrument eines „ratgebenden“ Referendums, Volksabstimmungen dürfen nur über noch nicht-ratifizierte Verträge gehalten werden. Dennoch forderte der Chef der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders, nach dem Brexit-Referendum auch für sein Land eine Abstimmung. „Bye bye Brüssel“, jubelte er. „Und die Niederlande werden die Nächsten sein!“

Dänemark

Die dänischen Rechtspopulisten haben im Falle eines Brexit ein Referendum über einen EU-Austritt im eigenen Land gefordert. „Dann will ich eine Volksabstimmung haben, um zu klären, ob Dänemark sich so eine Lösung wünscht“, sagte der Chef der Dansk Folkeparti, Kristian Thulesen Dahl, jüngst der Zeitung „Jyllands-Posten“. „Es geht darum, mehr Selbstbestimmung zurückzugewinnen.“ Die liberale Regierungspartei Venstre wehrt sich jedoch genau wie die übrigen Oppositionsparteien gegen diesen Vorschlag. Was die Zusammenarbeit in der EU angeht, sei man nicht skeptisch, sagte Venstre-Sprecher Jakob Ellemann-Jensen. „Es gibt Dinge, in die sich die EU einmischen soll, und Dinge, in die sich die EU nicht einmischen soll.“

Frankreich

Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, erneuert regelmäßig ihre Forderung nach einem Referendum über einen Austritt Frankreichs aus der EU. Eine Volksabstimmung ist allerdings nur mit Zustimmung des Staatspräsidenten möglich. Die EU-Abgeordnete und erbitterte Europa-Gegnerin Le Pen machte ihre Partei bei der Europawahl zur stärksten Kraft in Frankreich. Bruno Le Maire, ein potenzieller Kandidat der bürgerlichen Rechten für die Präsidentschaftswahl 2017, fordert auch ein Referendum – allerdings um die EU-Verträge zu ändern und die Union damit zu stärken.

Baltikum

In Estland, Lettland und Litauen findet sich mehr Begeisterung für die EU als in vielen älteren westlichen Mitgliedstaaten. Verschiedene Krisen geben EU-Skeptikern und Rechtspopulisten aber Auftrieb. Einzelne Oppositionsparteien und Einwanderungsgegner fordern etwa Referenden über die Flüchtlingspolitik und die Aufnahme von Migranten. Die Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius beugen sich dem aber bislang nicht.