Die Fronten haben sich verhärtet im Streit um die 130 Jahre alte Eiche vor der VR-Bank in Marbach im Kreis Ludwigsburg. Aber muss der altehrwürdige Baum wirklich weg?

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Die 130 Jahre alte Eiche vor der VR-Bank in Marbach ist zum Politikum geworden. Die Bank legte der Stadt Marbach eine Planung zu einem Neubau mit 25 Wohnungen und einer Tiefgarage vor, die dem Gemeinderat gefiel. Voll umfänglich benannt hatte das Problem der alten Eiche in zwei nichtöffentlichen Sitzungen von Ausschuss und Gemeinderat aber wohl niemand – auch nicht die Verwaltung. Es folgten Proteste von Naturschützern und das Versprechen der Kommunalpolitiker, noch einmal grundlegend über alles zu reden, um einen Bebauungsplan und eine Genehmigung sachgerecht auf den Weg zu bringen. Fehlt es an Fantasie, die Eiche zu retten?

 

Die Planung der VR-Bank Foto: VR-Bank/Grafik: Locke

Warum soll die Eiche gefällt werden?

Die VR-Bank betont: Sie muss die Eiche nicht fällen. Allerdings will sie der Stadt entgegenkommen, die für die Landesgartenschau 2033 auch den König-Wilhelm-Platz neugestalten will. Dazu braucht sie den Vorplatz der VR-Bank mit seinen öffentlichen Parkplätzen. Weil diese Stellplätze wegfallen, böte die Tiefgarage des geplanten Wohngebäudes Ersatz. Die Eiche steht nicht nur der Tiefgarage, sondern auch dem Wohngebäude im Weg.

Brächte ein verkleinerter Baukörper etwas?

Die Gegner der Baumfällung, wie etwa der Marbacher Naturschützer und Nachbar Reinhard Wolf, halten die Planung der VR-Bank nicht für unumstößlich. „Mit acht Wohnungen weniger könnte der Baum erhalten werden“, sagt Wolf und widerspricht damit der Darstellung des Bankvorstands. Die Volksbank-Chefs Timm Häberle und Heiko Herbst halten eine Verkleinerung des Projekts wegen finanzieller Risiken im Baugeschäft nicht für verantwortbar.

Die 130 Jahre alte Eiche ist einem Bauprojekt im Weg. Foto: Werner Kuhnle

Warum ist die Eiche aus ökologischer Sicht erhaltenswert?

Ein stattlicher Baum verbessert die Stadtökologie nachhaltig. Darauf weist Konrad Will hin. Der Landschaftsarchitekt aus Marbach sieht sich durch die aktuelle Planung an das „Radikaldenken aus der Zeit des Baubooms aus den 1970er- und 1980er-Jahren“ erinnert. Sehr wohl werde, etwa in den USA, viel getan, um Bäume bei Bauprojekten zu erhalten. Das Wissen um den Wert der Bäume schwinge mit. „Man müsste 2000 junge Bäume pflanzen, um eine 100-jährige Buche zu ersetzen.“ Eine Eiche setze pro Jahr 6000 Kilogramm Kohlendioxid um und produziere bis zu 4500 Kilogramm Sauerstoff.

Wäre es möglich, den Baum zu versetzen?

Diese Frage kann Herbert Porlein, Bauleiter von Opitz International, im Detail noch nicht beantworten. „Wir erstellen im Oktober eine Voruntersuchung und geben dann unsere Expertise.“ Den Auftrag dafür gab die VR-Bank. Beispiele für gelungene Umpflanzungen gebe es, auch mit derartig großen und alten Bäumen, zum Beispiel in Göteborg und München. Porlein würde eine solche Eiche nur im Umfeld von 50 Metern versetzen. Einen Platz dafür gebe es, sei ihm versichert worden. Die Kosten solcher Umpflanzungen lägen zwischen 30 000 und 120 000 Euro. Die Bäume würden in der Regel noch lange leben. Anders sieht das die Marbacher BUND-Ortsvorsitzende Andrea Lehning: „Eine Verpflanzung halten wir für sehr riskant.“

Welche Chancen böten sich der Stadt, wenn die VR-Bank nur im Bestand saniert?

Ein Neubau wäre ökologisch verfehlt, sagt die BUND-Frau Lehning und spricht sich für eine Sanierung im Bestand aus. „Wäre Beton ein Staat, wäre er der drittgrößte CO2-Emittent weltweit.“ Würde die Tiefgarage verlegt, könnte man trotzdem den Platz entsiegeln und den wertvollen Baum retten. „Und man kann auch mit Eiche die Straßenführung wie geplant verlegen, der Platz würde damit noch viel besser ökologisch aufgewertet.“ Konrad Will denkt weiter: „Im sanierten Gebäude könnte die Stadt die Stadtbücherei, die Musikschule oder die Volkshochschule unterbringen.“ Geld würde Will aus dem Verkauf des alten Oberamtshauses – dort ist die Stadtbücherei untergebracht – generieren.

Hat die Marbacher Stadtverwaltung einen Plan B für eine Bestandssanierung?

Nein. Sollte die Eiche stehen bleiben, wird es keine Tiefgarage geben können und der Platz so verbleiben wie er ist, teilt der Bürgermeister Jan Trost mit. „Die Zufahrt zur jetzigen Parkierung der Bank über den Platz muss erhalten bleiben, auch die öffentlichen Parkplätze sind wichtig für Einzelhandel und Wochenmarkt.“ Dies habe die Bürgerbeteiligung zum König-Wilhelm Platz gezeigt, „öffentliche Parkierung an dieser Stelle ist für viele Bürger sehr wichtig“. Die Frage einer Verlegung der Stadtbücherei oder ähnlicher Einrichtungen stelle sich der Stadt Marbach angesichts der Finanzlage nicht. Vorrang hätten Pflichtaufgaben wie die Sanierung der Grundschule Marbach oder der Neubau des Feuerwehrhauses in Rielingshausen.