Seit Tagen speit der isländische Vulkan Bárdarbunga bis zu hundert Meter hohe Lavafontänen. Ist das nur der Anfang? Vulkanologen diskutieren mehrere denkbare Szenarien. Nicht alle Theorien haben ein glimpfliches Ende.

Island - Seit Ende August speit eine vulkanische Spalte nordöstlich des Bárdarbunga auf Island ununterbrochen Lava. Annähernd 100 Meter hoch spritzen die Fontänen, mit 100 bis 200 Kubikmetern pro Sekunde – das ist ungefähr so viel, wie der Neckar an seiner Mündung Wasser transportiert. Die Lava hat bereits eine Fläche von 20 Quadratkilometern geflutet. Da sie dünnflüssig ist, gab es bisher weder Explosionen, noch bildete sich Vulkanasche. Durch den Kontakt mit dem Gletscherfluss Jökulsá á Fjöllum verdampft bloß etwas Wasser. Voraussichtlich drängt die Lava den Fluss nach Osten ab.

 

Jeden Tag trifft sich in Island ein Team aus Wissenschaftlern und berät über den Katastrophenschutz. In Zukunft, so meinen die Forscher, kann sich der Vulkanausbruch auf sehr unterschiedliche Weise weiterentwickeln. Es ist gut möglich, dass die Spalteneruption in ein paar Tagen oder Wochen wieder versiegt. Sie kann aber auch monate- oder jahrelang andauern. Es gibt einen berühmten Präzedenzfall: 1783 bis 1784 strömten 15 Kubikkilometer Lava aus der sogenannten Laki-Spalte, die sich südwestlich des Bárdarbunga befindet, außerdem giftige Gase wie Schwefeldioxid, die mit dem Tod von Tausenden auf Island wie auch in anderen europäischen Ländern in Verbindung gebracht werden. Doch der Laki-Ausbruch gilt als Extremereignis. Es hat in den vergangenen 2000 Jahren nur eine einzige Eruption auf Island gegeben, die noch mehr Lava förderte.

Schwefeldioxid behindert den Zugang

Immerhin setzt auch die aktuelle Eruption große Mengen Schwefeldioxid frei. Wiederholt mussten Wissenschaftler und Journalisten schon den Rückweg antreten oder Gasmasken aufsetzen, weil es sonst zu gefährlich geworden wäre. Teile der Insel sind in bläulichen Dunst gehüllt. Am Dienstag konnte selbst an der norwegischen Küste bei Kristiansund ein Schwefelgeruch wahrgenommen werden, berichteten dortige Medien.

In anderen Szenarien spielt das Gletschereis eine wichtige Rolle. So ist ein Ausbruch oben am 2009 Meter hohen Bárdarbunga nicht mehr ausgeschlossen. Die 80 Quadratkilometer große Caldera – eine Art Krater, einst gebildet durch den Einsturz einer Magmakammer, – wird vom Vatnajökull überdeckt, der größten Eiskappe Islands. Die Caldera ist mit einer 850 Meter dicken Plombe aus Eis gefüllt. An dieser Caldera traten seit Beginn der Eruption die stärksten Erdbeben der Region auf. Denn die Eisdecke senkt sich ab. Bisher sind es 20 Meter. Isländische Vulkanologen glauben zu wissen, warum das so ist: In der Tiefe strömen vermutlich große Mengen Magma durch eine Gang nach Nordosten zur Eruptionsspalte davon.

Gefahr droht durch Aschewolken und Schmelzwasser

Die Forscher machen sich deshalb zunehmend Sorgen. Sie befürchten, dass die Absenkung irgendwann dazu führen könnte, dass Lava mit dem Eis oder Schmelzwasser in der Caldera in Kontakt kommt. Der entstehende Wasserdampf würde die Lava in Stücke reißen und in die Luft schleudern. In dem Fall müssten die Isländer mit gewaltigen Aschewolken und Schmelzwasserfluten rechnen. Gerade vor den plötzlichen Überschwemmungen hat man auf der Insel den größten Respekt.

Die Lava könnte aber auch am Rand des Vatnajökull ausbrechen, zwischen der Caldera und der zurzeit aktiven Spalte. Auch bei so einer Eruption unter dem Gletscherrand entstünden Vulkanasche und Schmelzwasser. Dellen im Gletscher deuten darauf hin, dass es unter dem Eis längst kleine Ausbrüche gegeben hat, die bloß noch nicht stark genug waren, um die Eisdecke zu durchlöchern.

Im Norden würde das Magma den Nachbarvulkan Askja erreichen

Als eher unwahrscheinlich gilt, dass die Magmabewegung, die vom Bárdarbunga ausgeht, sich Richtung Norden fortsetzt. Nach wenigen Kilometern würde dort der Nachbarvulkan Askja erreicht, historisch betrachtet einer der gefährlichsten der Insel. 1875 wurde der Osten Islands unter einer giftigen Ascheschicht vom Askja begraben. Weil seine Magma zähflüssiger ist als die anderer Vulkane auf der Insel, verhält er sich explosiver. „Die letzten Ausbrüche des Askja sind allerdings nicht vom Bárdarbunga ausgelöst worden“, sagt Agust Gudmundsson, Vulkanologe an der Royal Holloway University of London. Das hätten Kollegen anhand von chemischen Gesteinsanalysen herausgefunden.

Mehrere Forscherteams haben rings um den Bárdarbunga neue Messinstrumente aufgebaut, um die Entwicklung so gut wie möglich zu verfolgen. Ob es nun eine Explosion gibt oder die Spalteneruption einfach weitergeht, wissen sie noch nicht.