Am Sonntag schleuderte auf den Philippinen der Vulkan Taal in einer gewaltigen Eruption Asche heraus. Kommt nun der große Ausbruch? Im Interview erzählt der Leiter der deutschen Handelskammer in Manila vom Warten auf die Eruption.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Stuttgart - Am vergangenen Sonntag hatte der Vulkan Taal in einer gewaltigen Eruption Asche herausgeschleudert. Nur Stunden zuvor hatten sich die Bewohner von vier Dörfer mit Booten in Sicherheit gebracht. Martin Henkelmann leitet seit 2018 die Deutsche Auslandshandelskammer auf den Philippinen. Im Interview erzählt der Deutsche, der in Tübingen und Heidelberg studiert hat, wie er die Lage einschätzt.

 

Herr Henkelmann, Sie leben und arbeiten in Manila. Sind die Beben des Vulkans Taal dort zu spüren?

Ich wohne im Süden von Manila, also rund 50 Kilometer nördlich des Vulkans. Die Beben des Taal haben wir dort bisher nicht gespürt. Wir haben Sonntagnacht und Montag jedoch den Regen aus Asche abbekommen.

Wie muss man sich das vorstellen? Kam auch in Manila eine zentimeterdicke Schicht herunter so wie im direkten Umfeld des Vulkans?

Ich würde eher von Staub sprechen. Doch die Straßen sind mehr als nur gepudert. Als es am Sonntag losging war ich mit dem Auto in Manila unterwegs. Es war viel dunkler als sonst, die Leute auf den Straßen hielten sich Tücher vor Mund und Nase. Ich dachte erst an einen Sandsturm. Zuhause habe ich dann das Handy in die Hand genommen und von dem Ausbruch erfahren. Was da vom Himmel kommt, sieht ein bisschen aus wie Schnee. Es fallen Flocken, die sich dann in feinen Staub zerlegen.

Hat man Sie darüber informiert, ob der Staub giftig ist?

Wir sind davor gewarnt worden, die Asche in großen Mengen einzuatmen. Es hieß, man solle auf jeden Fall einen Mundschutz tragen. Man merkt das auch: Es kratzt im Hals und die Augen brennen. Auch bei mir, obwohl ich mich nicht oft vor der Tür aufhalte.

Wie bereitet sich die Millionenstadt auf den großen Knall vor?

Die Filipinos und Filipinas haben Erfahrung mit schwierigen Naturereignissen und eine große Widerstandsfähigkeit entwickelt. Soweit wie möglich wird ein Trink- und Waschwasser Vorrat angelegt, wahrscheinlich werden auch mehr Reis und Konserven gekauft. Von großen Hamsterkäufen ist mir nichts bekannt. Der Hafen funktioniert auch ganz normal. Das bedeutet, dass auch Waren weiter ankommen. Auch der Flughafen ist geöffnet.

Haben Sie selbst auch Schutzmaßnahmen getroffen?

Am Montagmorgen bin ich gleich los, um Atemschutzmasken für die Familie zu besorgen. Wir hatten nur noch ein Exemplar im Erste-Hilfe-Koffer. In der Apotheke gab es aber nichts mehr, im Baumarkt habe ich dann einen etwas überdimensionierten Mundschutz für Lackierarbeiten gekauft. Wir haben außerdem mehr Lebensmittel als sonst eingekauft und unsere Trinkwasservorräte aufgestockt, denn das Leitungswasser hier kann man nicht trinken.

Welche Einschränkungen gibt es bereits?

Mehr als 40 000 Leute sind laut Regierungsangaben im Radius von 14 Kilometer um den Vulkan herum evakuiert worden, die nun mit all den Einschränkungen in Turnhallen und Evakuierungszentren leben. Ansonsten waren im Großraum Manila Montag und teilweise Dienstag Schulen, öffentliche Einrichtungen und Firmen geschlossen. Viele Geschäfte für Lebensmittel, Baumärkte, Restaurants und Apotheken waren jedoch geöffnet. Ich war Mittwochabend im Supermarkt und dort war bis auf Fünf-Liter-Wasserflaschen das normale Sortiment für den gewöhnlichen Preis verfügbar. Allerdings sind in Apotheken und Baumärkten die Atemschutzmasken nun wohl ausverkauft.

Alles wieder normal also?

Ja, das Leben läuft relativ normal. Der Straßenverkehr zieht nach einer kurzen Phase der Beruhigung wieder an. Die Schule, die unsere Kinder besuchen, hat auch wieder geöffnet. Am Donnerstag fand eine geplante Veranstaltung mit dem Finanzminister, die ich besucht habe, ganz normal statt. Ich würde sagen, in Manila gibt es im Moment nur wenig Einschränkungen.

Dabei sehen die Bilder, die man hier in Europa sieht, wirklich dramatisch aus. Haben die Leute keine Angst?

Natürlich. Es lastet ein Druck auf dem öffentlichen Leben. Alle sind in Alarmbereitschaft. Wir warten auf den Bing Bang, auf die große Eruption. Man weiß nicht, wann, wie lang und wie stark der Vulkan schließlich ausbrechen wird. Das Thema Erbeben ist auch noch nicht vom Tisch. Daher gibt es eine Anspannung nicht nur in den Gebieten, die von einem Vulkanausbruch unmittelbar betroffen sein könnten. Neben der Ungewissheit sehe ich jeden Tag eine große Solidarität mit den evakuierten Menschen. Ich habe heute mit einer deutschen Firma gesprochen, die ihren Sitz fünf Kilometer neben der evakuierten Zone hat und bei der viele betroffene Menschen arbeiten. Das Unternehmen hat einen eigenen Krisenstab eingerichtet und Kleidung, Hygieneartikel und andere benötigte Dinge gesammelt. Außerdem haben sie für ihre Mitarbeitern Apartments besorgt, damit die Leute aus den Notunterkünften heraus kommen. Denn die sind natürlich voll.

Haben Sie so etwas schon mal erlebt?

Nein, ich hatte vorher noch nie einen Ascheregen erlebt.

Martin Henkelmann lebt mit Frau und zwei Kindern in Manila

Martin Henkelmann (48) stammt aus Mönchengladbach am Niederrhein und studierte in Tübingen, Heidelberg und Aix en Provence. Der promovierte Jurist leitet seit 2018 die Deutsche Auslandshandelskammer auf den Philippinen und betreut dort rund 300 Mitgliedsunternehmen. Zuvor arbeitete er in selber Funktion in Tunesien. Henkelmann ist verheiratet und hat zwei schulpflichtige Kinder.