Seit Tagen rumort es im Inneren des Agung auf Bali. Nun steht der Vulkan offenbar kurz vor dem Ausbruch. Zehntausende Reisendes sitzen fest, darunter auch 5500 Deutsche. Wie ergeht es ihnen? Ein Bericht.

Rendang - Zwei Mal hat Madi Sugiri in der Nacht den Vulkan gehört. „Es hat geknallt, ein dumpfes Geräusch aus der Tiefe”, erzählt der 54-jährige Balinese. Der Restaurant- und Hotelbesitzer aus Rendang, einem kleinen Ort zwölf Kilometer südwestlich des Mount Agung, hat seine Koffer längst gepackt, das Auto steht vollgetankt vor seinem Grundstück. „Wir leben auf Standby, alle 24 Stunden bewerten wir die Lage neu”, sagt Made Sugiri. „Angst habe ich nicht, aber wir sind sehr vorsichtig.” Der Ausbruch des rund 3000 Meter hohen Vulkans ist jederzeit möglich. Sein Krater hat sich bereits mit Lava gefüllt, die über die Ränder zu schwappen droht. Dicke Rauschschwaden steigen aus seinem Innersten, ziehen gut sichtbar über die Insel hinweg, die bei deutschen Touristen so beliebt ist.

 

Urlaubsflieger kommen an diesem Montag in der Hauptstadt Denpasar keine an, der Flugverkehr wurde bis Dienstagfrüh sieben Uhr (Ortszeit) komplett eingesellt. Erst müsse die Ascheschicht auf den Start- und Landebahnen beseitigt werden, teilte der Flughafenmanager mit. Zehntausende Reisendes sitzen seitdem auf Bali fest, darunter auch 5500 Deutsche. Kostenlose Umbuchungen und Stornierungen bietet etwa der Reiseveranstalter Thomas Cook all jenen Passagieren an, die von der aktuellen Flughafenschließung betroffen sind. Die Sicherheit der Urlauber habe höchste Priorität, heißt es in einer Pressemitteilung, alle Thomas-Cook-Gäste befänden sich außerhalb der Sperrzone.

Seit die nationale Behörde für Katastrophenmanagement die höchste Alarmstufe ausgerufen hat, haben sich 40 000 Menschen im Osten Balis in Sicherheit gebracht. Wer in der Zehn-Kilometer-Zone rund um den Vulkan Berg lebt, musste das Gebiet verlassen. Doch noch immer harren dort nach Angaben der Behörden rund 60 00 Menschen aus, weil sie sich sicher fühlen oder ihr Vieh nicht zurücklassen wollen.

Erste Stornierungen sind bereits eingetroffen

Vielerorts wurden Notcamps eingerichtet, ausgestattet mit Zelten und schnell zusammengezimmerten Holzunterkünften. Die meisten der Camps wurden bereits Mitte September aufgebaut, als es erste Hinweise auf einen Ausbruch gab.

Entspannt sitzen im Candi Beach Resort etliche deutsche Touristen auf der Terrasse beim Abendessen und genießen den Sonnenuntergang. Sie fühlten sich sicher genug, beteuern sie. Es gebe keinen Grund abzureisen. In gut 20 Kilometer Entfernung liegt der rauchende Vulkan. Eine dünne Ascheschicht bedeckt das gesamte Hotelgelände. Ein Angestellter reinigt das Wasser des Swimmingpools. Neue Gäste bekommen gleich bei der Ankunft Atemschutzmasken ausgehändigt und die Empfehlung, sie besser zu tragen – wegen der Aschewolke. „Wir sind außerhalb der Gefahrenzone”, sagt Hotelmanager Gede Widia, „es herrscht keine Panik, alle Gäste reagieren besonnnen.”

Allerdings habe es bereits die eine oder andere Stornierung gegeben, sogar bis ins kommende Jahr hinein. Widia sorgt sich um die Zukunft des Tourismus, hauptsächlich deutsche Urlauber steigen bei ihm ab, gefolgt von Australiern. Wenn die langfristig wegbleiben würden, wäre das katastrophal, sagt der Hotelmanager, aber noch sei ein Ausbruch des Mount Agung keinesfalls sicher.

Ausbruch ist nur noch eine Frage der Zeit

Wie viele Balinesen erinnert er sich noch gut an die Folgen des gewaltigen Ausbruchs im Jahr 1963. Damals starben 1148 Menschen, die Lava floß siebeneinhalb Kilometer weit. Obwohl die Behörden die Menschen in den umliegenden Dörfern gewarnt hatten, waren die meisten zuhause geblieben. Sie waren beschäftigt mit den Vorbereitungen für ein traditionelles hinduistisches Fest und ignorierten die Warnungen einfach.

Im kleinen Ort Rendang riecht es nach Schwefel, graue Schwaden hängen in der Luft. Made Sugiri bewirtet die Journalisten, die sich bei ihm eingemietet haben, um möglichst nah dran zu sein am Berg, sie machen Live-Reportagen bei Warnstufe Rot. Auch Fernsehteams aus London und Australien waren neulich da. “Wir müssen uns vor dem Ascheregen in Acht nehmen, der kann bis zu 1000 Grad heiß sein”, sagt Made Sugiri, der engen Kontakt hält zu den Behörden. Gleich neben seinem Restaurant ist ein Camp eingerichtet worden, Hunderte Menschen sind bereits eingezogen. „Wir müssen zum Gott des Berges beten”, sagt der Gastronom, vielleicht beruhige sich die Lage dann wieder.

Viel Hoffnung hat er aber nicht. „Ich habe schon Feuer oben am Vulkan gesehen, ein rotes Flackern – und das ist eigentlich ein Zeichen für einen Ausbruch.”